Innovation verlangt neue Medien: mp3, mplayer3, MOD, ADSL & T-DSL

Mit dem neuen Musik-Komprimierungsverfahren "mp3" dürfte ein Brückenschlag zwischen dem Computer und der Musik geschaffen worden sein. Welche Perspektiven das Thema "mp3" auch für Atari-Anwender bietet, erörtert Michael Neihs von JUNE AUDIO.

Was ist mp3? 1987 beteiligte sich das deutsche "Fraunhofer Institut Für Integrierte Schaltungen" zusammen mit der "Universität zu Erlangen" an dem EUREKA Rahmenprojekt "EU147", welches seinerzeit von der "mpeg" (="Moving Picture Exports Group", bestehend aus den Organisationen "ISO" [1] und "IEC" [2]) ins Leben gerufen wurde. Wesen dieser Ausschreibung war die Codierung von Audiomaterial für Digitale Ausstrahlungszwecke ("DAB" = Digital Audio Broad-casting). Ziel dabei war es, Audioinformationen ohne Qualitätseinbußen derart zu komprimieren, dass sie den technischen Anforderungen einer schnellstmöglichen digitalen Übertragung standhalten sollten.

"mpeg-layer3" (kurz:"mp3") ist nach mp1 und mp2 das leistungsfähigste und hoch-favorisierteste Digitalformat aus der Schmiede der o.g. deutschen Allianz und sorgt in der Fachwelt seit seiner Präsentation für großes Aufsehen. "mp3 wird die Multimedia-Welt revolutionieren und kommt genau zur richtigen Zeit" - so Prof. Dr. Dieter Seitzer von der Uni Erlangen. Nun, was verbirgt sich hinter mp3? Kurz gesagt: digitalisierte Audiodaten werden durch hochpräzise Algorithmen im Durchschnitt um Faktor 10 komprimiert, ohne an Qualität zu verlieren. Dabei macht sich mp3 eine Schwäche des menschlichen Gehörs zunutze. Leise Töne, die direkt auf einen lauten Ton folgen, kann das Gehirn des Menschen nicht erfassen. Beim mp3-Encoding werden diese Passagen der Musikstücke einfach ausgeblendet, was zu einer deutlichen Reduzierung des Datenstromes führt. Weiterhin werden Überschneidungen des linken und rechten Kanals eines Stereosignals in den Kompressionsalgorithmus einbezogen. Spezielle Decoder sorgen anschließend für eine l: l Real-Time-Wiedergabe. Musik, die im herkömmlichen Verfahren in Stereo mit einer Samplefrequen/ von 44,1 KHz aufgenommen wird, benötigt pro Minute ca. 10MB Speicher (im *.AIF-Format). Die gleiche Aufnahme belegt demnach als mp3 nur ca. l MB (oder weniger, abhängig vom Frequenzmuster des analogen Eduktes), ohne an merklicher Qualität zu verlieren! mp3 avanciert somit zur No. l für Internet- & Multimediaapplikationen, Systemcluster, Digital- oder Satellitenradio sowie Musikdatenarchiven.

"mplayer3" - ein mp3-Hand-heldplayer für unterwegs

Der "mplayer3" (siehe Abbildung 1) ermöglicht es, mp3-Musik aus dem Internet auf kleine, auswechselbaren Speicherkarten (sog. Multimedia-Cards) zu laden und diese unterwegs anzuhören. Multimedia-Cards sind Flash-Cards mit einer Kapazität von derzeit 30MB und etablieren sich zusehends als weltweiter Standard. Die Multimedia-Card ist jederzeit wiederbeschreibbar, nicht größer als eine Briefmarke und äußerst widerstandsfähig gegen Kratzer und Schmutz. Weitere Medien diesen Typs sind die schreibgeschützten ROS-Cards, die fertig bespielt sind und sich mit dem "mplayer3" wiedergeben lassen. Dieses Medium wird als Tonträger der Zukunft favorisiert, der mittelfristig die CD ablösen wird. Noch für dieses Jahr ist das Erscheinen zahlreicher mp3-Titel vom Kölner Schallplattenlabel JUNE AUDIO angekündigt.

Die Technik des "mplayer3" setzt Maßstäbe: Musik wird in höchster Qualität auf kleinstem Raum digital gespeichert und mit einer faszinierenden Methode wiedergegeben. Ohne jede mechanische Bewegung liest der "mplayer3" Musikdaten direkt vom Chip der Multimedia-Card in Echtzeit. Die Wiedergabequalität besitzt CD-Niveau. Der "mplayer3" ist absolut unempfindlich gegen Erschütterungen. Somit können Sie auch unterwegs und beim Sport uneingeschränkt Musik hören.

Der "mplayer3" ist das erste Gerät einer Serie nachfolgender mp3-Player. Stand-Alone-Geräte für Ihr HiFi-Rack wie mp3CD- (erster Prototyp 1998 von der TU Darmstadt) oder mp3DVD-Player sind bald verfügbar. Letzteres Verfahren könnte beispielsweise auch vom NUON-System (VM-Labs) adaptiert werden.

Der "mplayer3" wird einen mp3CD-Player mit Sicherheit nicht ersetzen können, weshalb man ihn auch nicht als Konkurrenz zu diesem Format ansehen sollte. Vielmehr liegt die Marktposition des "mplayer3" in einer sinnvollen Alternative zum herkömmlichen MC-Walkman oder MiniDisc-Player.

Da die mp3-Player mit der Idee geboren wurden, unter Zuhilfenahme des Computers eigene Flash-Cards oder CDs zu brennen, können sie also gleichzeitig auch als mp3 -Recorder angesehen werden.

Im Bereich der mp3CD-Player hat das deutsche Unternehmen "Micronas Inter-metall" seit der CEB1T'99 einen entsprechenden Chipsatz für die Real-Time-Wie-dergabe verfügbar, den es jetzt nur noch gilt, in HiFi- & Auto-CD-Player namhafter Hersteller zu implementieren.

"Wie gelangt mp3-codierte Musik in den mplayer3"?

Die mitgelieferte, sehr anwenderfreundlich gestaltete Software ermöglicht es Ihnen, Musikdaten von CD, Satellitenradio oder aus dem Internet auf die Festplatte eines Microsoft Windows-PC zu kopieren, dort in einem Archiv zu verwalten, ggf. zu konvertieren und via SERIELLER SCHNITTSTELLE auf die Multimedia-Card zu übertragen. LINE AUDIO Department Germany bemüht sich derzeit, diese Übertragungstechnik allen ATA-Rlanern zu eröffnen. Das Plattenlabel JUNE AUDIO wird das Angebot an mp3-Titeln sehr gewaltig bei Music-On-Demand (einem Unternehmen der Telekom-Ber-kom AG) aufstocken.

"Was verbirgt sich hinter Music-On-Demand (MOD)"?

MOD ist die größte nationale Anlaufstelle für mp3-Musik. Der heute noch praktizierte Weg der Musikveröffentlichung über Preßwerke zwecks CD-Herstellung wird durch mp3-Tracks abgelöst! Mit Einführung von ADSL im Jahre 2001 wird jeder MOD-User in der Lage sein, vom Wohnzimmer aus seine eigenen CDs zu brennen. In Zukunft können Sie sich also selber Ihre ganz individuelle Compi-lation-CD zusammenstellen; eine CD, die in dieser Form im normalen CD-Handel gar nicht existiert! Die elektronische Vervielfältigung von Einzeltiteln oder ganzen mp3-Paketen ist heute schon eine an speziellen Automaten praktizierte Alternative zum CD-Kauf im Laden. Weiterhin haben Sie den Vorteil, spezielle Titel, die Sie im Radio gehört haben und die Ihren individuellen Geschmack treffen, bei MOD herunter zu laden, ohne gleich ein komplettes CD-Album, das diesen Titel enthält, im Laden kaufen zu müssen. Derzeit existiert jedoch noch ein Schönheitsfehler: Da die HiFi-CD-Player noch nicht mit Hardware-Decodern ausgerüstet sind, ist eine Wiedergabe von mp3-Tracks in Real-Time momentan also vorerst nur über den "mplayer3" oder über die Soundkarte eines Intel-Pentium-PC möglich. Für die Wiedergabe von der Festplatte eines Microsoft-Windows-PC hält MOD kostenlose mp3-Decoder-Software bereit.

Schon jetzt ist mp3-Musik vielfach billiger als der entsprechende Titel auf einer handelsüblichen CD! Die Preise des MOD-Musikrepertoires von JUNE AUDIO werden ab Mai einheitlich um 50% gesenkt! Darüberhinaus wird auf der Homepage von JUNE AUDIO eine spezielle mp3-Bibliothek eingerichtet. Dort erhalten Sie dann Musik der Stilrichtungen Chill-Out, Trance, Speed, electronic-stuff und Acid absolut KOSTENLOS! Billiger geht's nicht! Folgende URLs können Sie sich vormerken:

http://www.audio-on-demand.de/mod

"Was ist ADSL"? - oder -"Der Frust mit der Telekom!"

ADSL (Asymmetrie Digital Subscriber Line) wird ab dem Jahre 2001 ISDN ablösen! Schon heute bemängeln viele Internet-User lange Transferwartezeiten. Da die Anforderungen an das Internet aber immer größer werden (steigende Teilnehmerzahl, komplexere HTML- & Javalistings) muß zwangsläufig ein neuer, lei-stungsfähige.rer Standard definiert werden. Mehrere Telefongespräche fuhren, gleichzeitig faxen und dazu noch mit Highspeed im Internet surfen - dieser Traum wird mit ADSL Realität. ISDN war eigentlich schon seit seiner Einführung veraltet. Es gibt kaum ein anderes Land auf der Erde außer Deutschland, das heute noch mit derart beschämenden technischen Spezifikationen auf der Datenautobahn surfen muß. Die digitale Datenübertragung erreicht bei T-Net-ISDN maximal 128Kbit/s auf zwei gebündelten, 8Bit-breiten B-Kanälen. Das ist in etwa die Übertragungsrate, mit der ein ATARI 800 XL (Baujahr 1983) Disketten kopiert.

Aber egal, es gibt ja mp3 oder besser gesagt, genau aus diesem Grund. ADSL (Datentransferrate = 8Mbit/s [!]) existiert in den USA weitestgehend flächendeckend seit Mitte der 90er Jahre und ist in etwa 60mal schneller als T-Net-ISDN. Der Empfang von ADSL ("Downstream") läuft allerdings rund zehnmal schneller als das Versenden von Daten. Der "Up-stream" arbeitet mit 768 Kbit/s.

Zum Leidwesen der User praktiziert die Telekom in Deutschland eine etwas andere Anbindungsstrategie: Erst wenn in allen deutschen Haushalten ein ISDN-Anschluß installiert ist, kommt T-DSL, die Telekom-Variante von ADSL. Wollen wir wetten, dass das Upgrade zu T-DSL kostenpflichtig ist?! Professionelle Nutzer sollen T-DSL in einer Geschwindigkeit von bis zu 8 Mbit/s (= nach dem Vorbild der USA) nutzen können. Privatkunden will die Telekom jedoch lediglich eine Übertragungsrate von l ,5 Mbit/s anbieten. Was soll diese Zweiklassengesellschaft? Nun ja, immerhin ein Fortschritt gegenüber T-Net-ISDN, auch für Privatnutzer.

Zukunftsaussichten

Das Digitalformat mp3 eröffnet allen Beteiligten eine neue Perspektive! Die Musikkonsumenten stellen sich zukünftig aus dem Internet oder dem Satellitenradio eigene Sampler-CDs zum privaten Gebrauch zusammen und übernehmen dabei die Rolle der CD-Preßwerke aus heutiger Zeit. Die Musiker könnten über sog. On-linecounter (=Zugriffszähler) ein Honorar für ihre Kompositionen vom MOD- oder Satelliten-Provider beziehen. Die GEMA ("Gesellschaft Für Musikalische Aufführungs- und Mechanische Vervielfältigungsrechte") müßte die Firmierung ändern und könnte als elektronisches Inkassounternehmen und Hüter der guten Sitten für ihre Mitglieder auftreten. Ihre Funktion als Verwertungsgesellschaft wird die GEMA also nicht verlieren; im Gegenteil: Lizenzgeschäfte gegenüber den Mediengesellschaften nehmen alsdann einen höheren Stellenwert ein, und die Mitglieder werden nachvollziehbarer als je zuvor an den Einnahmen über Tantiemen beteiligt. Da musikproduzierende • Label, Urheber und Musikverlage im Rahmen ihres Berechtigungsvertrages der GEMA auch eine auf die elektronische Vervielfältigung erweiterte Rechtseinräumung und -Wahrnehmung erteilt haben, steht dieser These eigentlich nichts im Wege.

ATARI & mp3

Ein Real-Time mp3-Softwaredecoder stellt voraussichtlich zu große Performanceansprüche an die Rechner der Serien ST, STE, TT und Falcon, so dass hier nur der Weg über entsprechende Hardware-Decoder führen kann. Genaueres muß hier jedoch die Praxis zeigen, denn rein theoretisch könnte die Umsetzung eines reinen Players nach Expertenmeinung durchaus auch auf einem TT oder einem beschleunigtten Falcon umzusetzen sein. Computer wie der Milan oder der Hades sollten wiederum keine Probleme haben. Freuen Sie sich also schon jetzt auf ein mpS-JAM-Inte'-face für den DSP-Port Ihres Falcon. Über dieses Audiointerface können Sie dann die Musik Ihrer Selbstgebrannten mp3-CDs direkt in eine HiFi-Anlage schicken.

Fazit

Zur Jahrtausendwende könnte sich tatsächlich eine neue Mentalität und Kaufgewohnheit potentieller Konsumzielgruppen einstellen. Höher, schneller, weiter -oder besser gesagt individueller, effektiver und komfortabler. Die technischen Möglichkeiten bestehen jedenfalls, auch wenn der bürokratische Geist manch deutscher Unternehmen seinen Beitrag und seine Willkür zum Ausdruck bringen möchte.

Michael Neihs

Referies:

[l] "ISO" = International Standards Organisation
[2] "IEC" = International Electrotechni-cal Commission


Michael Neihs
Aus: ST-Computer 05 / 1999, Seite 24

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