Calamus in der Praxis (4)

Am Ende dieser Entdeckungsreise in die Welt des Calamus beschäftigen wir uns mit Kennlinien und Rastern.

Kennlinien und Raster sind die wichtigsten Steuerelemente für die Ausgabe von Dokumenten, und zwar nicht nur für Bilder. Hier ein Überblick über die in Calamus verfügbaren Kennlinien-Typen:

Bildmanipulation

Das Rahmenmodul hält in der Befehlsgruppe „Spezialfunktionen Rastergraphikrahmen" das Icon „Kennlinien bearbeiten" bereit. Für die Bildmanipulation stehen verschiedene Kennlinien zur Verfügung:

CK1 Monochrom-Kennlinien

CK3 RGB-Kennlinien zweierlei Art

a) für RGB-Bilder

b) für Duochrom-Bilder (z. B. IMG-Dateien)

CK4 CYMK-Kennlinien zur Farbkorrektur in schon vorseparierten 4c-Bildern

Farbseparation

CK7 = Die Farbseparation in Calamus faßt sämtliche Farbinformationen an, die nicht im CYMK-Farbraum vorliegen, also noch nicht vorsepariert sind. Dafür stehen 7 Kurven in einer CK7-Kennlini-en-Datei zur Verfügung. Die ersten drei bestimmen, wieviel Schwarzanteil aus den Prozeßfarben Cyan, Yellow und Magenta herausgezogen und in den Schwarzfilm gelegt werden sollen, die vierte Kurve steuert neben den Schwarzanteilen die Ausgabe der Schwarzwerte selbst. Die weiteren drei Farbkurven steuern die Ausgabe der (übriggebliebenen) Farbanteile von Cyan, Yellow und Magenta. Die Farbseparation steckt im Seitenmodul, Befehlsgruppe „Seitenmontage" hinter dem Icon „Farbseparation einstellen".

Ausgabelinearität

CK4 = Die eigentliche Ausgabe auf ein beliebiges Ausgabemedium (Drucker, Belichter, Datei) kann ebenfalls gesteuert werden. Dafür stehen in CK4-Dateien vier Kurven zur Verfügung, mit denen die Ausgabe von vier Prozeßfarben linear gesteuert werden kann. Aber auch RGB-oder CYM-Geräte können diese CK4-Da-teien nutzen; die vierte Kennlinie bleibt dann einfach unberücksichtigt.

Die CK4-Kurven sind vergleichbar mit dem Farbkasten an einer Offsetdruckmaschine. Sie haben die Möglichkeit, die Farbausgabe z.B. im Schwarz-Druckwerk total „zuzudrehen" oder mehr Cyan auszugeben, als in den eigentlichen Ausgabe-Daten steckt usw.

Die Farb-Separation läßt sich, ebenso wie die Ausgabeliniarität, die nur dort aufgerufen werden kann, im Drücken-Dialog ansprechen. Voraussetzung ist hierbei (wie immer im Calamus) dass die entsprechenden Module auch geladen sind.

• Ohne das RAHMEN.CXM kann natürlich auch keine Bildkennlinie editiert werden.

• Das FARB_SEP.CXM bietet die Se-parations-Möglichkiten.

• LIN.CXM stellt die Ausgabelinearität zur Verfügung.

Wichtig ist noch, dass Sie das Kennlinieneditor-Modul FrankLIN light (FRANKLLT.CXM) geladen haben, damit nicht nur der im Calamus selbst schon eingebaute, rudimentäre Kennlinien-Editor aufgerufen wird. FrankLIN stellt deutliche Funktionalitäts-Erweite-rungen zur Verfügung.

Daneben gibt es noch eine Vollversion vom FrankLIN, die mit einem Online-Vorschaufenster bei der Bilddatenmanipulation wesentlich schnelleres Arbeiten ermöglicht: Sie ändern im Editor eine Kennlinie, eine Kurve oder nur einen Teil davon, und im zoombaren Previewfenster sehen Sie direkt die Veränderungen. Das ist natürlich wesentlich praktischer, als nach jeder Änderung den Editor zu verlassen, um im Dokument die Änderung zu betrachten.

Wie schon bei den anderen Steuerelementen von Calamus beschrieben, können Sie auch die Kennlinien nicht nur laden und speichern, sondern auch DEFAULT.CK*-Dateien im Module-Ordner plazieren, die dann als Standard-Kennlinien-Sets für die entsprechenden Aufgaben immer beim Programmstart mitgeladen werden. Wenn Sie also z.B. eine für Ihre Anwendungen perfekte Linearitäts-Kenn-linie entwickelt haben, liegt es nahe, diese als DEFAULT.CK4 im Module-Ordner zu verewigen.

Wer sich die Mühe nicht machen will, eigene Kennlinien zu entwickeln und dabei ggf. Zeit und Geld zu investieren, kann sich des optional erhältlichen mediaLINK-Datapacks bedienen. Diese Sammlung langerprobter Kennlinien, Rasterkonfigurationen und Informationen bietet alles, was das Herz begehrt, für verschiedenste Ausgabegeräte (vom einfachen s/w-Laser-drucker über Farbdrucker bis hin zu hochauflösenden Belichtern) und Ausgabemedien (von Chromolux-Karton bis zu Natur- oder Recyclingpapieren und Zeitungsdruck).

Raster

Raster sind immer dann nötig, wenn nicht in 100-%-Schritten, sondern in Farbabstufungen gedruckt werden soll.

Wie soll man eine 50%ige Graufläche auf einem s/w-Laserdrucker ausgeben, der diesen Zwischenwert nicht wiedergeben kann?

Man nutzt ein Rasterungsverfahren, das die auszugebende Fläche in Rasterpunkte aufteilt, die zwar in sich vollschwarz sind, mit dem sie umgebenden Weißraum aber für das menschliche Auge den Eindruck erwecken, es sähe eine homogene Graufläche.

Dabei ist es natürlich nötig, für jeden Betrachtungsbereich das ideale Raster zu verwenden. So ist es möglich, winzigkleine Punkte nebeneinanderzusetzen, die auch bei nächster Betrachtung noch nicht als schwarze und weiße Flächen erscheinen. Denkbar sind z.B. Druckpunkte von 1/1.000 mm im Belichtungsbereich von 2.540 dpi. Andererseits können solche Win-zig-Punkte im Offsetdruck evtl. gar nicht mehr gedruckt werden, da sie auf dem Produktionsweg vom Offsetfilm über die Druckplatte und das Offset-Gummituch auf das Papier „zulaufen" würden und die wichtigen Weißflächen zwischen den einzelnen Punkten so sehr verringern würden, dass wieder nur der Eindruck „Schwarze Fläche" entsteht. Daher versucht man, die kleinstmöglichen Ausgabegerät-Punkte zu größeren Rasterpunkten zusammenzulegen, wobei natürlich auch der Weißraum dazwischen größer wird. Mit mehreren kleinen Ausgabegerät-Punkten (Pixeln) ist es z.B. möglich, wirklich schöne runde Rasterpunkte zu formen.

Solche Rasterpunkte haben im normalen Offsetdruck z.B. oft eine solche Größe und Anordnung, dass man 50-60 Stück nebeneinander auf einem cm aufreihen kann. Sie sind klein genug, dass das menschliche Auge sie nicht mehr ohne Lupe als Punkte wahrnimmt, aber groß genug, dass der Produktionsweg sie richtig wiedergeben kann. Und schon können wir sie bemaßen: Man spricht in diesem Beispiel von 50-60 Ipcm (Linien pro Zentimeter, gemeint sind hier Rasterlinien, die sich durch die Aneinanderreihung optisch ergeben).

Zweiter wichtiger Faktor für die Definition von Rasterpunkten ist - wie sollte es auch anders gehen - die Auflösung des Ausgabegerätes. Übliche Laserdrucker haben heute 300, 600 oder 1.200 dpi, Spitzengeräte stoßen in den 2.400-dpi-Bereich vor. Das bedeutet, dass diese Laserdrucker entsprechend 300, 600 usw. dpi (dots per inch = Punkte pro Zoll) drucken können. Damit ist die Feinheit der Ausgabegerät-Punkte (Pixel) bestimmbar. Laserdrucker haben, je nach Bauart, heutzutage Auflösungen von 1.200, 2.400 oder 3.600 dpi (übliche Werte z.B. bei Agfa-Geräten) oder, weil mehr am cm-Maß orientiert, 1.270 oder 2.540 dpi (was exakt 500 resp. 1.000 dpcm entspricht!), wie bei den Linotype-Geräten zu sehen.

Ein Linotype-Belichter, der 2.540 dpi belichten kann, kann auf einem Quadratzentimeter 1.000 x 1.000 = 1.000.000 Pixel, also eine Millionen Belichterpunkte von einem 1/1.000 mm Breite nebeneinanderdrucken. Das ist nicht nur ziemlich fein für das menschliche Auge, sondern bedeutet auch gewaltige Datenmengen, die dafür berechnet und erzeugt werden müssen.

Auf einer solchen Matrix von 1.000 x 1.000 Pixeln pro cm2 ist es natürlich möglich, 60 Rasterpunkte nebeneinander zu formen, die auch in Farbabstufungen noch in der Lage sind, 256 Graustufen zu repräsentieren. Dafür müssen sie theoretisch auf einer Pixel-matrik von jeweils 16 x 16 Pixeln liegen, denn die Summe dieser Kantenlängen ergibt gerade 256 Punkte. Ein vollflächiger Rasterpunkt ist eben 256 Punkte groß und quadratisch, ein leerer Rasterpunkt (!) hat kein schwarzes Druckerpixel und das Auge sieht „Weiß".

Um wieder zu unserer ursprünglichen 50-%-Graufläche zurückzukommen: Sie wird auf dieser Pixelmatrix so abgebildet, dass die Hälfte der Pixel einen schön runden Rasterpunkt formen. Somit sind in diesem 256 Punkte großen Quadrat außen insg. 128 Pixel weiß, während in der Mitte ein aus 128weiteren schwarzen Pixeln geformter runder Rasterpunkt gebildet wird.

Dieses Prinzip wird so lange wiederholt, bis die gesamte Graufläche in dieser Weise in Rasterpunkte und Weißflächen aufgelöst worden ist. Das Ergebnis kann nun wunderbar auf einem s/w-Gerät ausgegeben werden -das menschliche Auge sieht, wie gewünscht, 50 % Grau.

Natürlich ist dies wieder nur ein sehr vereinfachtes Beispiel! Da nicht nur Graustufen gerastert gedruckt werden können, sondern auch komplexe Farbbilder, wobei jeweils mit nur vier Farben (Cyan, Yellow, Magenta, Schwarz) wirklich gedruckt wird, ist es nötig, solche Farbbilder vorzusepa-rieren in ebendiese Farben, um anschließend jede einzelne dieser vier Farbebenen als eine Art „Graubild" anzusehen. Diese vier Farbauszüge werden dann wie schon beschrieben gerastert und übereinander in den entsprechenden Farben gedruckt. Beim Betrachten solcher Ausdrucke im Auge „verschmelzen" diese Rasterpunkte wieder und ergeben den Eindruck, man sähe ein vielfarbiges Bild!

Dazu wiederum ist es wichtig, dass die Rasterpunkte nicht alle in der gleichen Art auf dem Ausdruck ausgerichtet sind. Sie müssen gegeneinander verwinkelt werden, und zwar so, dass beim Drucken keine Wiederholungsmuster der verschiedenen Rasterlinien , entstehen können. Solche Wiederholungsmuster werden Moire (sprich: Moareh) genannt und sind in der Druckbranche sehr gefürchtet. Um sie zu vermeiden, benutzt man heutzutage üblicherweise folgende Winkelungen der Rasterlinien:

K = 45,C = 75,M = 15,Y = 0.

Dadurch werden die Rasterlinien so gegeneinander versetzt, dass die größtmögliche Chance besteht, dass keine Moires gebildet werden. 0 und 45 Grad sind mit den computergenau berechenbaren Druckerpixeln kein Problem, Rasterpunkte mit solchen Winkelungen lassen sich sehr harmonisch erzeugen. Schwierig wird es bei gleichförmigen Rasterpunkten, sobald die Winkelungen nicht mehr „gerade" sind, also hier bei 15 resp. 75 Grad.

Man stellte in der Entwicklungsgeschichte der per Computer erzeugten Rasterpunkte fest, dass man mit diesen „rationalen Rasterpunkten", die also immer dieselbe Form haben, nicht wirklich an 15 oder 75 Grad herankommen kann. Um diesem aufgrund der Moire-Problematik geforderten Ziel näher zu kommen, musste man den Anspruch aufgeben, die Rasterpunkte immer gleichförmig aus den zur Verfügung stehenden Druckerpixeln zu bauen. Man versuchte, zugunsten der genaueren Winkelung die Rasterpunkte etwas variabler zu formen, so dass z.B. statt immer kreisrunder Rasterpunkte auch mal elliptische Punkte entstehen.

Das war der Anfang der sog. „irrationalen Raster", die aufgrund einer Theorie von Dr. Hell entstanden, dessen Wissen dann von der Linotype AG übernommen wurde. Calamus unterstützt dieses Rasterungsverfahren, das eben genauer an die idealen Winkelungen im Vierfarbdruck herankommt. Natürlich muss man nicht wirklich jeden einzelnen Rasterpunkt einer zu rasternden Fläche unterschiedlich (irrational) erzeugen. Das irrationale Rasterungsverfahren nutzt die Möglichkeit, mit unterschiedlichen Iterationen (Annäherungsschritten) geformte Rasterpunkte zu größeren Einheiten, sog. Rasterkacheln, zusammenzufassen. Je genauer die Winkelung, desto größer wird die Rasterkachel.

Der Raster-Cache-Generator (RAST-CACH.CXM), der dazu als Modul geladen sein muss, bietet die Möglichkeit, die einmal errechneten Rasterkacheln zu cachen (Cache, sprich: Käsen, engl. = Zwischenspeicher), indem die Daten im Moduleordner in einer Datei namens RCACHE.INT gesichert werden. Das bedeutet wichtige Zeitvorteile, weil schon beim zweiten Druckgang nicht mehr neu gerechnet werden muss.

Die zugegeben recht komplexen theoretischen Zusammenhänge beim Rastern lassen sich im Rastergenerator allesamt einstellen, wobei der RasterCacheGenerator nicht nur runde, sondern auch rechteckige und dreieckige Punkte erzeugen kann. Darüberhinaus kann mit einer sog. Bias-Punktablen-kung die Form des Rasterpunktes bis hin zu einer Linienform abgelenkt werden. Wenn Sie also runde Rasterpunkte mit einem Bias kleiner 1.0 erzeugen lassen, werden diese Rasterpunkte immer ein wenig elliptisch sein.

Es empfiehlt sich, beim Probieren und Entdecken der Möglichkeiten zunächst Raster vom Standardlief erumfang zu laden und diese nach eigenem Ermessen nach und nach zu verändern, sofern sie nicht schon den Ansprüchen genügen. Die Calamus beiliegenden Raster wurden von Calamus-Belichterstudios nach eigenen Erfahrungen entwickelt und dem Calamus-Paket zur Verfügung gestellt.

Wer sich mit der Materie des Ra-sterns nicht selbst beschäftigen will, dem sei (wie schon bei den Kennlinien) das mediaLINK Datapack empfohlen, das eine wahre Flut unterschiedlichster Raster bietet, allesamt praxiserprobt und garantiert moirefrei. Q



Aus: ST-Computer 03 / 1999, Seite 35

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