That's Write 3.0 - Reifeprüfung

Textverarbeitung war gerade wegen des flimmerfreien Monitors schon immer eine der Hauptanwendungen auf dem ST. Aus diesem Grund gibt es auch eine große Auswahl an Programmen in diesem Bereich für jeden Geschmack und Geldbeutel, wie wir bereits in [1] und [2] festgestellt haben. Und die meisten dieser Programme werden weiterentwickelt, so auch That's Write, eines der Angebote im mittleren Preisbereich. Wir haben uns die Version 3.0 angesehen.

Mit dem Versionssprung von 2.07 nach 3.0 erwartet der Anwender natürlich auch einen immensen Zugewinn an Funktionen, und ich kann es vorwegnehmen: Die Erwartungen werden nicht enttäuscht. Das vorliegende Programm ist eine konsequente Weiterentwicklung und läßt That's Write in neue Anwendungsgebiete bis hin zu Heim-DTP hineinwachsen. Das Programm ist sowohl für den Gelegenheitsschreiber, der einen Brief an die Großmutter mit dem Computer verfassen will, geeignet wie für geschäftliche Anwendungen. Und auch für Buchautoren und Diplomarbeiten im nichttechnischen Bereich ist es dank automatischer Generierung von Inhaltsverzeichnissen und Stichwortlisten sowie der vielen Gestaltungmöglichkeiten bestens zu gebrauchen. Nicht verschwiegen werden soll, daß das Programm für Anwendungen im Bereich der Naturwissenschaften alleine nicht besonders geeignet ist: Ohne das als Option erhältliche Programm Formel-X ist es dafür nur schwer zu gebrauchen, da That's Write keinerlei Unterstützung für Formelsatz bietet.

Alles neu macht der Mai

Wichtigste Neuerung der Anfang Mai veröffentlichen Version 3.0 ist die Unterstützung von Vektor-Fonts durch That' s Write selbst. War man bisher auf Pixelfonts angewiesen, die für alle Punktgrößen und Druckerauflösungen vorliegen mußten, so sorgen jetzt Speedo-Fonts für die optische Gestaltung der Dokumente. Bereits in der Grundversion werden 14 Schnitte mitgeliefert, mit denen sich bereits ordentlich arbeiten läßt; sind doch die wichtigsten Schriftarten wie Dutch und Swiss (besser bekannt als Times und Helvetica) bereits darunter. Richtig groß wird die Auswahl dann mit dem Multifont-Paket, daß für 100 DM Aufpreis den vollen Zeichensatz-umfang eines PostScript-Druckers, nämlich 36 Schriftschnitte, zur Verfügung stellt. Außerdem stehen dem Anwender sämtliche Bitstream-Fonts zum Nachkauf zur Verfügung, so daß für jeden Geschmack der passende Zeichensatz erhältlich ist. Leider jedoch stellte sich bald heraus, daß die Schriften, die mit That's Write geliefert werden, aufgrund ihrer Kompatibilität zu PostScript zur Zeit nicht mit dem endlich erhältlichen SpeedoGDOS von ATARI zusammenarbeiten können, bis ATARI Abhilfe geschaffen hat; umgekehrt jedoch ist ein Arbeiten mit den GDOS-Fonts in That' s Write möglich. Die PostScript-Variante bietet zwei Vorteile: Zum einen sind die Fonts kleiner, benötigen also weniger Platz im Hauptspeicher, da hier nur der PostScript-übliche Zeichenvorrat von rund 250 Zeichen vorhanden ist (im Gegensatz zu den ca. 500 Zeichen jedes Speedo-kodierten Fonts). Zum zweiten sind die mit That's Write und diesen Fonts erstellten Dokumente metrikkompatibel zu PostScript-Druckern und können so von der PostScript-Version direkt ohne Anpassung auf einem entsprechenden Drucker oder Belichter ausgegeben werden. Neben der Ausgabe dieser Fonts auf dem Papier benutzt That' s Write auch die Speedo-Zei-chensätze für die Bildschirmanzeige, so daß auch weiterhin ein echtes WYSIWYG gewährleistet ist. Lediglich das Kerning, die Möglichkeit, Buchstabenpaare näher aneinander zu rücken, um optisch unschöne Lücken im Text zu vermeiden, wird auf dem Bildschirm aus Geschwindigkeitsgründen nicht benutzt. Die Ausgabequalität auf dem Drucker ist dagegen beeindruckend: Durch Kerning und das in die Speedo-Fonts integrierte Hinting (eine Methode, die die Qualität des Druckergebnisses bei kleinen Schriftgrößen und niedrigen Auflösungen verbessert) erreichen mit That's Write auf einem Laserdrucker ausgedruckte Texte eine höhere Qualität als mit Calamus hergestellte Druckvorlagen.

Flotte Lotte...

Die Geschwindigkeit ist bei That's Write trotz der aufwendigen Vektor-Fonts auf dem Bildschirm zumindest gleich geblieben und wurde auf den meisten Rechnern sogar erheblich beschleunigt. Selbst bei schnellem Tippen gelangt die Bildschirmausgabe, zumindest auf dem TT oder auf einem mit 16 MHz betriebenen ST, nicht ins Hintertreffen. Auf einem unbeschleunigten ST ohne NVDI und ähnliche Dopingmittel muß man, abhängig von Schreibgeschwindigkeit, Schriftgröße und Zeichensatz, allerdings gelegentlich ein kleines Wartepäuschen einlegen, damit die Bildschirmdarstellung nachkommt. Zeichen gehen dabei jedoch keine verloren, so daß man dieses Manko durchaus verschmerzen kann, und im Gegensatz zu Word for Windows auf einem 386SX ist die Darstellung immer noch gigantisch schnell. Erstmals haben die Autoren in That's Write 3.0 vollständig auf Line-A-Befehle verzichtet, die bisher auf verschiedenen Grafikkarten für einige Probleme gesorgt hatten. Dafür werden jetzt sowohl Butter wie auch evtl. der Direktzugriff auf den Bildschirmspeicher benutzt, wenn dies ohne Kompatibilitätsverlust machbar ist. Demzufolge lief That's Write auch mit jeder getesteten Konfiguration einwandfrei und schnell zusammen, sowohl auf dem TT mit Crazy-Dots Grafikkarte als auch auf einem normalen ST mit 1 MB Speicher und SM-124, wenn auch nicht mehr viel Speicher für Texte übrig bleibt und ein Benutzen der Vektorschriften dort nahezu unmöglich ist. Selbst auf exotischen Systemkonfigurationen (Mega ST mit 68030-Beschleuniger-Board und 4 MB Fast-RAM) arbeitet That' s Write ohne Fehl und Tadel. Bemerkenswert: Trotz des immensen Funktionsumfangs ist immer noch ein Arbeiten von Diskette möglich, wenn auch das Programm selbst auf der einen und die dazugehörigen Systemdateien auf einer anderen Diskette untergebracht werden müssen.

Auf Befehl...

Ein besonders mächtiges Hilfsmittel in That's Write sind die Anweisungen, mit deren Hilfe man mit dem Programm Routinearbeiten schnell und komfortabel automatisieren kann. Zwar gehört dies nicht zu den Neuerungen der Version 3.0, sondern fand bereits bei That's Write 2.0 Eingang in das Programm, wurde aber bisher nur stiefmütterlich behandelt. Besonders im geschäftlichen Bereich, wo oft im Text gerechnet werden muß, kommen die Anweisungen im Text besonders zur Geltung. Mit diesen Anweisungen ist es möglich, Rechnungen auf Knopfdruck zu erstellen, Kapitel im Fließtext automatisch zu numerieren und noch viele andere nützliche Effekte zu erzielen. Zwar reichen die Möglichkeiten dieser Anweisungen nicht an die einer konventionellen Programmiersprache heran, doch lassen sich damit die meisten Probleme, die mit den festen Befehlen einer Textverarbeitung nicht zu realisieren wären, elegant und einfach lösen. Neben mathematischen Befehlen stehen dabei auch die Systemzeit, das Systemdatum und natürlich Abfragen und Bedingungen zur Verfügung, um flexibel auf die gestellten Anforderungen eingehen zu können. Vor allem durch letzteres hebt sich That's Write von der Konkurrenz ab, die zwar auch oft das Rechnen im Text beherrscht, aber bei bedingten Funktionen bereits die Fühler strecken muß. Neu in der Version 3.0 ist nun, daß auch in Kopf- und Fußzeilen das Ergebnis von Berechnungen ausgegeben werden kann.

Fehlerteufel

Was die Rechtschreibkorrektur anbelangt, gehört das System von Houghton Mifflin, das auf verschieden Computersystemen (unter anderem in Word for Mac und Ami Pro für Windows) weite Verbreitung gefunden hat, zu dem Besten, was derzeit für Personalcomputer zu bekommen ist. Mit einem deutschen Wörterbuch von Lan-genscheidt, das ca. 3 Millionen Wörter sowie deren Trennstellen kennt, ist man bestens für die automatische Suche nach Tippfehlern gerüstet. Außerdem läßt sich für jeden Text ein eigenes Textlexikon (z.B. für im Text vorkommende Eigennamen oder Warenbezeichnungen) und ein Speziallexikon, in dem man nicht im Wörterbuch vorkommende, aber vom Benutzer häufig verwendete Wörter samt deren Trennstellen selbst aufnehmen kann, erstellen. Die Rechtschreibkorrektur berücksichtigt dabei zuerst das normale und danach das Spezial- und Textlexikon, um für den Text die optimale Korrektur und Trennung zu ermöglichen. Gegenüber der alten Version von That' s Write haben die Autoren hier außerdem nochmals den Rotstift angesetzt und der Rechtschreibkorrektur eine Diät verpaßt, so daß diese nun nur noch halb soviel Speicher wie vorher benötigt. Außerdem ist bei akutem Speicherplatzmangel eine Korrektur direkt von Platte möglich, was aber natürlich eine größere Geschwindigkeitseinbuße mit sich bringt. Im äußersten Notfall läßt sich das Wörterbuch auch ganz abschalten, so daß eine algorithmische Trennung, also eine Trennung nach festen Regeln, zum Einsatz kommt. Da jedoch keine dieser Regeln ohne Ausnahme ist, kommt es hierbei hin und wieder zu Trennfehlern (z.B. Aus-baus-tufen), die der Benutzer dann von Hand beseitigen muß; dies läßt sich jedoch prinzipbedingt nicht vermeiden.

Im Bilde...

Eine weitere gravierende Neuerung findet man im Bereich Grafikbehandlung. Daß Textverarbeitungen auf dem ST mit Grafiken problemlos umgehen können, ist bei modernen Programmen selbstverständlich.

Auch That' s Write beherrscht diese Funktion schon seit den ersten Versionen, doch wurde jetzt noch einmal gehörig Gehirnschmalz investiert, um die Grafikeinbindung zu verbessern. Grafiken können in der aktuellen Version nun frei im Dokument plaziert und beliebig hin und her verschoben werden. Ebenso ist es möglich, Texte sowohl rechts wie links neben die Grafik als auch in sie hinein schreiben zu können. So erhält man sehr viele Möglichkeiten, den eigenen Text optisch aufzupeppen und ihm die persönliche Note zu verleihen. Ein Wermutstropfen ist allerdings, daß That' s Write von Hause aus nur das monochrome IMG-Format kennt und so Bilder in anderen Formaten erst einmal mit Hilfe eines externen Programms (z.B. dem Shareware-Programm Gemview) umgerechnet werden müssen, bevor die Weiterverarbeitung möglich ist. Außerdem wäre es wünschenswert, wenn die gerade importierte Grafik auf Wunsch automatisch vom Text umflossen würde, was aber hoffentlich in einer der nächsten Versionen bereits verfügbar sein wird. Ebenfalls überarbeitet wurde der Textim- und -export. Statt bisher ausschließlich ASCII-Files von anderen ATARI-Programmen und 1 st-Word-plus Dokumenten sind nun auch das Einladen von ASCII-Texten von anderen Rechnerplattformen (MAC, PC, Windows und OS/2) und die automatische Konvertierung der Umlaute in das ATARI-Format möglich. Außerdem lassen sich Texte für die Weiterverwendung auf DOS und Mac entsprechend angepaßt exportieren (so benutzt DOS z.B. ein anderes ASCII-Zeichen als ATARI für das deutsche „ß"). Andere Formate als ASCII (z.B. das RTF-Format) lassen sich mit That's Write aber z.Zt. weder lesen noch schreiben.

Kleinvieh

Neben den großen Änderungen wie eben den frei skalierbaren Zeichensätzen haben die Autoren aber auch am Detail gefeilt: So gibt es in der neuen Version von That's Write nun auch die Möglichkeit, Texte als Vorlage abzuspeichern, die sich unter dem alten Namen nicht mehr abspeichern lassen und so vor versehentlichem Überschreiben geschützt sind. Erweitert wurden die Optionen bei Seiten- und Absatz-Layouts: So ist es jetzt möglich, bei einem bestimmten Absatz-Layout immer eine neue Seite beginnen zu lassen, was für Diplomarbeiten und wissenschaftliche Texte von nicht zu unterschätzendem Nutzen ist. Außerdem lassen sich auch Folgen von Layouts definieren, die automatisch nach Anwahl des ersten Absatz-Layouts für die danach folgenden Absätze angewählt werden. Weiterhin erfolgte eine verbesserte Anpassung an MultiTOS und das dort verwendete Drag&Drop Verfahren sowie an die 3D-Optik. Bei der Bedienung wurde den Wünschen der Benutzer Rechnung getragen: Neben dem SySKey-Konzept zur Tastaturbedienung, das vor einiger Zeit von den That's Write-Autoren eingeführt wurde, beherrscht die Version 3.0 nun auch ein ATARI-kompatibles Verfahren zur Tastaturbedienung der wichtigsten Funktionen. Allerdings kann man dabei immer noch ziemlich ins Schleudern geraten, sind doch weiterhin die Funktionen von Control- und Shift-Taste, z.B. im Zusammenhang mit der Delete-Taste (üblicherweise „Lösche Wort" mit Control-Delete, „Lösche Zeile" mit Shift-Delete) gegenüber den meisten anderen Programmen vertauscht, was hin und wieder zu einiger Verwirrung führen kann. Schmerzlich vermißt habe ich just in so einer Situation übrigens eine UNDO-Funktion, die die letzte Aktion rückgängig machen kann. Hier sollten die Programmierer unbedingt noch eine Extraschicht einlegen und diese Funktion wenigstens in einer einfachen Version nachliefern.

Klassiker

That's Write gehört sicher zu den klassischen Textverarbeitungen für ATARI-Computer. Neben dem wirklich mächtigen Funktionsumfang, der hier nur Ansatzweise angesprochen werden kann, gehört vor allem die hohe Betriebssicherheit zu den großen Pluspunkten dieses Programms. Besonders Kinderkrankheiten, unter denen einige Newcomer auf dem Markt noch zu leiden haben, sucht man hier vergebens. Soweit es der Test erlaubt, arbeiteten alle Funktionen wie gewünscht, und es gab nur kleine Mängel, die aber bei Erscheinen dieses Tests bereits behoben sein dürften bzw. bereits während des Tests durch Nachfolgeversionen behoben wurden. Und bis auf die wirklich schmerzlich vermißte UNDO-Funktion bietet das Programm alles, was das Herz eines Textverarbeiters begehrt. Der Preis von 398 DM ist der Leistung des Programms jedenfalls vollauf angemessen. Insgesamt kann man sagen, daß That's Write in der vorliegenden Version die Reifeprüfung bestanden hat: Das Programm ist sehr leistungsfähig, einfach zu bedienen und läßt sich ganz nach den Vorstellungen des Benutzers konfigurieren. Also: Unbedingt einmal ansehen!

[1] I. Brummer: „Drei handliche Schreiber: Cypress, papyrus & Script", ST-Computer 3/93 S. 34ff

[2] I. Brummer: „ Schreibmaschinen ", ST-Computer 4/92 S. 39ff

Aus presserechtlichen Gründen sind wir zu folgendem Hinweis verpflichtet: Der HEIM Fachverlag als Verlag dieser Zeitschrift ist gleichzeitig Vertrieb des beschriebenen Programmes "That's Write".

That's Write 3.0

Positiv:
großer Funktionsumfang
einfache Bedienung
hohe Betriebssicherheit
hervorragende Ausgabequalität dank Speedo-Fonts
sehr gute Rechtschreibkorrektur und Trennhilfe

Negativ:
keine UNDO-Funktion
Grafikimport ausschließlich im IMG-Format


Dirk Johannwerner
Aus: ST-Computer 08 / 1993, Seite 34

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