Der ST im Krankenhaus - Graue Kiste im weißen Alltag

So mancher „Weinkittel“ mag der Realität noch nicht so gern ins Auge sehen, aber Computer erobern auch die Medizin. Die in diesem Artikel vorgestellten Programme gehen über die bekannten Computeranwendungen in der Medizin hinaus. Berichtet wird von nützlicher Software, die das Leben gestreßter Assistenzärzte bei der Erstellung eines Visitenplanes erleichtert und Literaturrecherchen vereinfacht.

Daß Computer auch in der Medizin eingesetzt werden, ist nichts Neues. Computertomographen und all die anderen teuren Geräte der medizinischen Diagnostik müssen Computer enthalten, um die großen Datenmengen zu bearbeiten. Auch der Einsatz der Rechenmaschinen für die statistische Auswertung der Daten hat sich längst etabliert. Die hier vorgestellten Programme benötigen keine teure Hardware, können aber trotzdem zu einer erheblichen Erleichterung im Alltag werden.

Abb. 1: Eingabemaske für Patientendaten im Rahmen einer automatischen Vistitenplanerstellung (Name geändert)

Wo werden nun diese neuen Pfade hinsichtlich des Computereinsatzes an der medizinischen Basis beschritten? Es ist die Station XI des Bundeswehrkrankenhauses in Hamburg-Wandsbek, besser bekannt unter der Bezeichnung „Urologische Station“. Über die Grenzen der Bundeswehr hinaus ist sie als Hodentumorzentrum bekannt, hat man hier doch Spezialtherapien mit außerordentlich guten Heilungschancen entwickelt. Schon vor Jahren erkannte Chefarzt Dr. Hartmann die Zeichen der Zeit und betraute Oberstabsarzt Dr. Dettmann mit der Aufgabe, den Computereinsatz sinnvoll auszubauen.

Dieser hatte bereits als Student den Segen der neuen Technologie zu spüren bekommen (Zitat: und dann rechnete mir dieser Computer einer Großforschungsanlage in 0.1 sec aus dem komplexen Datenmaterial meiner Doktorarbeit alle gewünschten Statistiken aus. Da wurde mir klar, daß diesen Dingern die Zukunft gehört“).

Mit den alltäglichen Bedürfnissen der Facharztausbildung konfrontiert, erkannte Dr. Dettmann schnell die Bereiche, die durch Rechnereinsatz sinnvoll ergänzt und damit effizienter gestaltet werden können.

Visitenplan

Dazu zählt zum einen die Erstellung eines Visitenplanes: Alle Daten eines Patienten im Kopf zu haben, ist nur schwer möglich. Es ist daher üblich, morgens vor der Visite einen kleinen Zettel anzufertigen, auf dem jeder Patient mit Zimmernummer. Diagnose, Anzahl der Tage bis oder nach OP usw. aufgelistet wird. Bei einer hektischen Chefarztvisite kann dann ein kurzer Blick auf einen solchen Plan schnell den nötigen Überblick verschaffen und so die Geduld des Chefs schonen.

Abb. 2: Die „.DOC“ Adimens-Datei für die formatierte Ausgabe der Patientendaten als Visitenplan. Die Ausgabe erfolgt nach Zimmernummern sortiert, pro- bzw. postoperative Tage werden automatisch berechnet.

Jeden Tag kommen neue Patienten hinzu, andere werden entlassen oder auf ein anderes Zimmer verlegt. Ein einmal angefertigter Visitenplan ist daher schon am nächsten Tag überholt. Nachträgliche Korrekturen enden in einem heillosen Durcheinander, so daß eigentlich nur das Neuschreiben des Planes in Frage kommt. Und damit ist dann der jeweils verantwortliche Stationsarzt morgens auch meist beschäftigt.

Als überzeugter Computerfan macht man so etwas natürlich nicht lange mit. und so dauerte es auch nicht lange, bis Dr. Dettmann eine entsprechende Eingabemaske für Adimens entworfen hatte (s. Abb. 1). Für die Ausgabeliste. in der die Patienten nach Zimmern geordnet ausgedruckt werden, ist die in Abb. 2 abgebildete ".DOC“-Datei mit einem ASCII-Editor zu erstellen. Damit die prä- bzw. postoperativen Tage automatisch hochgezählt werden, muß unter dem Adimens-Menüpunkt „Rechnen“ [Tag]=[SYS-DATE|-[Datum]+1 eingegeben werden.

DIMDI-Literaturrecherchen und automatisierte Buchbestellung

Nicht erst als ausgebildeter Arzt, auch schon als Student wird man gelegentlich vor das Problem gestellt, allerneuste Informationen zu einem bestimmten Thema zu beschaffen. Hier kommt DIMDI ins Spiel, das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information in Köln. DIMDI ist im Prinzip eine große Datenbank, in der man via Telephonverbindung medizinische Veröffentlichungen nach bestimmten Stichworten durchsuchen lassen kann. Man kann sich dann von den gefundenen Publikationen die Verfasser, Titel, Quelle, Sprache und auch Abstracts (kurze Zusammenfassungen auf Englisch) übermitteln lassen. Je nach Anzahl der übertragenen Bytes und der Zeit, die man ‘on line" war, berechnet sich die Gebühr.

Abb. 3: Verbindungen einzelner Adimens-Datenbanken für eine effiziente Literaturrecherche

Nun wäre es sicherlich vorteilhaft, die einmal bezahlten Daten in die eigene Datenbank zu übernehmen, so daß man auch später noch einmal darauf zurückgreifen kann. Dazu muß man das Datenformat der DIMDI-Daten auf das der eigenen Datenbank umformatieren. Dr. Dettmann entwickelte also ein Programm, das diese Aufgaben bezüglich Adimens erledigt.

Die Konvertierung auf Adimens bietet aber nicht nur die Möglichkeit der künftigen Nutzung der Daten: Nach einer DIMDI-Anfrage hat man ja nur die Informationen, in welchen Journals die gesuchten Themen behandelt werden. Die Journale selber muß man sich auf anderem Wege besorgen. Dazu geht man gewöhnlich in eine Bibliothek und erkundigt sich, ob dort das gewünschte Journal überhaupt archiviert wird. Falls ja, dann müssen umständlich irgendwelche Bestellzettel ausgefüllt werden, oft in mehrfacher Ausführung. Natürlich kann auch hier der Rechner helfen: Um die Suche nach der geeigneten Bibliothek zu erleichtern, hat Dr. Dettmann eine Liste aller Hamburger Bibliotheken für med. Literatur zusammen mit denen von ihnen abonnierten Zeitschriften in Adimens eingegeben (eine Anpassung an andere Städte ist leicht möglich) und mit der Maske für die DIMDI-Daten verknüpft (s. Abb. 3). Für die Bestellung existiert dann eine Ausgabeliste, die wahlweise die Formulare der Bibliotheken bedruckt oder gleich selber das Formular druckt, zusammen mit den entsprechenden Einträgen. Abgerundet wird der ganze Vorgang durch die Option, sich für die eignen Publikation die verwendeten Literaturstellen in Form einer Liste ausdrucken zu lassen, die dem gängigen Format bei Literaturangaben entspricht.

Der ST als Terminal

Für die Urologische Station mindestens genauso relevant wie die eben beschriebenen Einsatzfelder ist der ST in seiner Funktion als Terminal für einen DEC PDP 11/83-Großrechner. Auf diesem Rechner befindet sich das Tumorregister der Station, d.h. eine umfangreiche Datenbank über die behandelten Tumorpatienten. Durch Verknüpfung bestimmter Datenfelder (z.B. Patientenalter und Tumorart) lassen sich Erkenntnisse über eventuelle Zusammenhänge gewinnen, die man allerdings erst nach statistischer Auswertung großer Patientenzahlen erkennen kann. Diese statistischen Auswertungen geschehen dann auch auf dem Atari, nachdem man sich vom Terminalprogramm aus die Zahlen auf die Atari-Festplatte überspielt hat. Da diese Einsatzmöglichkeiten bereits in anderen Artikeln ausgiebig besprochen wurden, möchte ich nicht näher darauf eingehen.

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß trotz aller Atari-Begeisterung ein Kompatibler ‘386 angeschafft wurde, um bei der automatischen Arztbrieferstellung Dienst zu tun. Meine Frage an die Atari-Welt: Haben wir wirklich nichts dagegenzusetzen? Es gibt immer noch viel zu tun, packen wir’s an!

Gegen Freiumschlag und Diskette sind das Programm für die DIMDI-Adimens-Konvertierung und die dazugehörigen Adimens-Dateien kostenlos bei Dr. Dettmann (Rönkoppel 9a, 2000 Hamburg 72) zu beziehen.

Abb. 4: Dr. Dettmann (rechts) und der Autor (links) bei der Datensuche im Tumorregister des Großrechners mit dem ST als Terminal

Jens Würthner
Aus: ST-Computer 03 / 1992, Seite 10

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