Lektorat - Rechtschreibkorrektur mit dem ST

Ein Lektor ist ein Mitarbeiter bei Verlagen und Redaktionen, der Texte auf orthographische und stilistische Fehler hin untersucht und verbessert. Jeder, der Texte nicht bloß für die Schublade verfaßt, ist in Zeiten des Schreibens mit Textverarbeitung gehalten, sein eigener Lektor zu sein. Was liegt also näher, als das Redigieren von Texten mit einem Rechtschreibkorrekturprogramm in Angriff zu nehmen? Das Rechtschreibkorrekturprogramm Lektorat ermöglicht die Durchsicht, das Vergleichen und Korrigieren von ASCII-Texten, die mit einer x-beliebigen Textverarbeitung entstanden sind. Texte, die mit SIGNUM2 oder Wordplus erarbeitet worden sind, können, ohne den Umweg über die ASCII-Abspeicherung zu machen, direkt eingelesen und einer Rechtschreibkorrektur unterzogen werden. Bequemer wäre es da schon, mit einer in das benutzte Textverarbeitungsprogramm integrierten Rechtschreibkorrektur zu arbeiten. Auf ihre Art unterschiedliche Rechtschreibkorrekturfunktionen bieten WordPerfect und TempusWord.

Mit einer Online-Rechtschreibkorrektur trumpft TempusWord auf. Automatisch blendet sich die Korrekturfunktion ein, sobald ein falschgeschriebenes Wort an der Cursor-Position auftaucht. Rechtschreibkorrekturprogramme interpretieren falschgeschriebene Wörter als Zeichenketten, die nicht im Wörterbuch auftauchen. Während des Schreibens können einzelne Wörter sogar in verschiedene Wörterbücher geschrieben werden.

Die Qualität eines Rechtschreibkorrekturprogramms, sei es nun in die Textverarbeitung integriert oder ein externes Programm, hängt von der Struktur des Wörterbuchs entscheidend ab. Und da hat Lektorat eine ganze Menge zu bieten, was vielleicht doch motivieren könnte, Rechtschreibkorrekturen auf die externe Software abzuwälzen. Die Geschwindigkeit ist der erste einer Reihe von Vorteilen, die Lektorat gegenüber WordPerfect und Tempus Word, aber auch gegen die Konkurrenz, den Rechtschreibprofi von Data Becker, ins Feld führt.

Nach dem Starten erscheint Lektorat mit einer eigenen GEM Benutzeroberfläche auf dem Bildschirm. Zu sehen sind großzügig gestaltete Laufwerkssymbole sowie das Icon des Standardlexikons. Zum Textaustausch und zur Textablage wird das GEM-Klemmbrett unterstützt. Das Standardlexikon ist mit nach Handbuchinformation 110.000 Einträgen sehr umfangreich. Es stellt den zentralen Korrekturkatalog dar, auf dessen Basis die Rechtschreibprüfung eines Textes erfolgt. Neben dem Standardlexikon können bis zu vierzehn Wörterbücher mit Lektorat neu angelegt und mit Wortneuaufnahmen erweitert werden.

Neu angelegte und angemeldete Wörterbücher werden als Dateisymbole auf der Lektorat-Benutzeroberfläche dargestellt. Zur Rechtschreibprüfung wird das Icon des zu prüfenden Textes mit der Maus auf das Standardlexikon-Icon geschoben. Sofort beginnt die Phase der Rechtschreibkorrektur mit dem alphabetisch sortierten Einlesen der Textwörter, beginnt die Rechtschreibprüfung beim ersten Wort der Textdatei und vergleicht nacheinander alle Wörter des Textes mit dem Einträgen des Wörterbuchs. Im Prinzip handelt es sich bei dieser Technik um ein Vergleichen von Zeichenketten mit alphabetischer Struktur. Jeder Buchstabe eines Wortes wird Zeichen für Zeichen mit den systematisch aufgelisteten Einträgen des Wörterbuchs verglichen, bis die Identität der Zeichen oder eine Abweichung festgestellt wird. Bei Feststellung einer Abweichung meldet sich auf der Stelle der Korrekturmodus und mahnt die Beseitigung des Fehlers an. Mit der Einstellung verschiedener Korrekturparameter könnte der Korrekturvorgang noch beschleunigt werden. Muß zwischen Groß- und Kleinschreibung unterschieden werden? Wie sind Wortsonderformen und Abkürzungen zu bewerten? Ist es sinnvoll, die Silbentrennung zu überprüfen, wenn der ASCII-Text doch mit einem anderen Textverarbeitungsprogramm formatiert und druckfertig vorbereitet wird? Sind Sonderformen und Abkürzungen zu prüfen, und benötigt Lektorat ein zweites Wörterbuch, das Sonderfälle deutscher Sprache verzeichnet hat? Im Prinzip wäre es auch möglich, fremdsprachige Sonderwörterbücher anzulegen und zweisprachige Textdateien prüfen zu lassen.

Ein normaler Arbeitsgang mit Rechtschreibkorrektur einer Textdatei sieht folgendermaßen aus. Zunächst ist eine ASCII-Textdatei zu laden. Zur Behandlung von SIGNUM!-Dokumenten können die Zeichencodes von SIGNUM-Zeichensätzen in Konversionstabellen definiert werden. Dann könnte die Rechtschreibprüfung auch von SIGNUM!-Dokumenten losgehen.

Wenn im Korrekturtext alles in Ordnung ist und Sie Ihr guter persönlicher Lektor gewesen sind, meldet sich das Korrekturmenü nicht. Mit der Maus führt man das Text-Icon auf das Symbol des Standardlexikons. Der Korrekturlauf beginnt und zeigt lediglich mit einem knappen Dialog die aktuell bearbeitete Buchstabengruppe an. Das Vergleichen des Wortmaterials mit den Wörterbucheinträgen geschieht sehr schnell, so daß man sich nur wundern kann, was für eine Nebensächlichkeit die Rechtschreibprüfung darstellt. Wenn Wörter aber nicht wohl gewogen und orthographisch korrekt geschrieben sind, tritt das Lektorat-Korrekturmenü auf den Plan. Jedes fehlerhaft geschriebenes Wort wird mit lexographischen Einträgen mindestens im Standardlexikon verglichen. Entweder stellt Lektorat die Identität von Text wort und Eintrag fest, dann wird der Korrekturlauf kommentarlos fortgesetzt; oder die Schreibweise des Textwortes wird nicht als Lexikoneintag verifiziert. Mit einem Korrekturmenü stellt Lektorat dessen Einzigartigkeit fest, was auf einen Rechtschreibfehler schließen läßt, sofern es sich um keinen Eigennamen handelt.

Im Bild haben Sie ein Beispiel für einen Korrekturfall. Über Tastatur können Sie den Rechtschreibfehler korrigieren und mit der Einfüge-Option in den Text schreiben. Wichtig ist auch die Option „Merken“, mit welcher Wörter in einer Zwischenablage gespeichert werden. Nach dieser Methode gesammelte Wörter können später auf verschiedene Lektorat-Wörterbücher verteilt werden. Diese Funktion ist u.a. für alle Lektorat-Benutzer interessant, die Spezialwörterbücher mit Fachterminologien anlegen wollen. Bei der Rechtschreibprüfung können mehrere Wörterbücher parallel aufgeschlagen sein. Lek torat durchsucht im Prüffall nacheinander die aktiven Wörterbücher. Wenn kein Eintrag gefunden wurde, erscheint ein entsprechender Hinweis, bzw. bei Richtigkeit wird der Prüfvorgang kommentarlos fortgesetzt. Den Gesamtwortschatz kann man also durch Anlegen verschiedener Wörterbücher zum einen differenzieren und zum anderen erheblich erweitern.

Leider verfügt das Korrektur-Menü über keine Doppelwort-Prüfung, so daß hier die Aufmerksamkeit des Korrekturleser besonders gefragt sein wird. Wünschenswert wäre zudem ein Korrekturmodus, der es ermöglichte, daß bestimmte Wörter bis zum Textende keiner wiederholten Prüfung unterzogen würden. So macht sich beim Korrekturlauf nachteilig bemerkbar, daß die Prüfung der Groß-/Kleinschreibung der Anredefloskel >Sie< wiederholt wurde. Es ist nicht nötig, solche Wörter, wiederholte Begriffe mit besonderen Schreibweisen oder Namen dauernd zu prüfen. Das führt nur zu zeitlichem Aufenthalt.

Die Korrekturleistung eines Rechtschreibkorrekturprogramms liegt sicherlich in seinem methodischen Aufbau und dem Prüfverhalten bei grammatikalischen Beugungsformen. Die Erkennung von Deklinations- und Konjugationsformen ist ein wichtiges Kriterium für ein sinnvolles Textlektorat. Relativ problemlos wäre es, ein einfaches Substantiv wie >Verband< in einem Text mit dem entsprechenden Wörterbucheintrag zu vergleichen. Was ist aber mit einigen assoziativ sich einprägenden Ableitungsformen: Verbände - verbinden - verbinde - verbindet - Verbinder- verbunden - Verbund - Verbundene - Verbünde? Diese Liste könnte noch verlängert werden und verdeutlicht die Schwierigkeiten, vor die eine Rechtschreibprüfung gestellt ist. Es geht nicht nur um die Feststellung der Abweichung von der offiziellen Rechtschreibnorm, sondern auch um die Erfassung der grammatischen Feinstruktur eines Wortes. Daß hier wirklich kreative Spracharbeit geleistet worden ist, macht Lektorat mit seinen gutstrukturierten Verzeichnissen der Deklinations- und Konjugationsformen sichtbar.

Ihre Grammatik können Sie im Bücherschrank lassen. Die Deklinationsformen eines Substantivs/Adjektivs bzw. Konjugationsformen eines Verbs beherrscht Lektorat souverän.

Die Verwaltung der Wortformen übernimmt der Menüpunkt „Lexikon“. Hier wird am deutlichsten, daß Lektorat ein echtes Werkzeug für die intensive Rechtschreibprüfung ist. Zunächst öffnet man ein Lexikon, das bearbeitet werden soll. Das könnte entweder das Standardlexikon oder ein Spezialwörterbuch sein. Spezialwörterbücher könnten beispielsweise Fachbegriffe oder Vokabeln verzeichnen, die man im Standardlexikon vergeblich sucht. „Strukturierte Lexikonverwaltung“ heißt, daß man dem angebotenen Inventar der Wörterbücher nicht hilflos ausgeliefert ist, sondern selber Wörter ändern oder ergänzen darf. Wortsammlungen zu speziellen Wortfeldern anzulegen und zu untersuchen, ist ein sehr vornehmes Arbeitsziel, für das Lektorat, unabhängig von der Rechtschreibprüfung, wie prädestiniert scheint. Aber das wäre nur eine von vielen Möglichkeiten, die der Menüpunkt „Lexikon“ zu bearbeiten erlaubt.

Eine einfache Such-Option ermöglicht die Wortsuche im aufgeschlagenen Lexikon /Wörterbuch. Wenn man die Hinzufüge-Option aktiviert, wird das Wort in die alphabetische Struktur des Wörterbuches eingegliedert und bei späteren Rechtschreibprüfungen berücksichtigt. Ein Schatzkästlein für Sprachversessene und solche, die es werden wollen, ist der Menüpunkt „Wortformen“, auf den bereits hingewiesen worden ist. Er erlaubt das Bearbeiten von Deklinations- und Konjugationstabellen. Wer seine Grammatikkenntnisse aufrischen möchte, kann sich in vielen Stunden mit deutschen Ablautreihen, schwachen und starken Verben, Zeitverhältnissen und Zeitformen oder Wortsteigerungen von Adjektiven beschäftigen. Diese Tabellen sind Vorschlagsangebote, die bei der Rechtschreibprüfung berücksichtigt werden.

Abb. 1: Vor der Rechtschreibkorrektur von Signum!-Dokumenten steht die Konversion der dokumentinternen Zeichensätze.
Abb. 2: Lektorat hat einen Rechtschreibfehler entdeckt!
Abb. 3: Das Menü zum Bestimmen der Deklinationsformen eines Substantivs
Abb. 4: Viele Möglichkeiten, die über die reine Rechtschreibprüfung hinausgehen
Abb. 5: In welches Wörterbuch soll das Wort?

Das Handbuch bietet einige Anschauungsbeispiele, die erklären, wie Lektorat Wortformen verwaltet. Das scheint aber bei der Komplexität und dem Wortreichtum der deutschen Sprache nur ein Tropfen auf den heißen Stein zu sein. Man könnte diesen Programmteil, der sich mit grammatikalischen Fragen beschäftigt, auch zum Lernen der deutschen Konjugations- und Deklinationsreihen zweckentfremden. Der Kaufanreiz für Lektorat wäre nur noch größer.

Auf maximal fünfzehn Wörterbüchern können unbekannte Wörter mit Bezeichnung der entsprechenden Wortart eingetragen werden. Bedingung ist, daß das Wörterbuch erzeugt und mit dem Zugriffspfad angemeldet worden ist.

Lektorat ist ein kleines Programm, das auf einer Diskette mit einer knappen Dokumentation ausgeliefert wird. Besonders über die Methode der Verwaltung von Wortlisten fehlen mir einige Detailinformationen, was aber nicht daran hindert, mit der Rechtschreibprüfung von Texten zu beginnen. Weil das Schreiben auf Basis grafischer Zeichensätze mit ST-Textverarbeitungen sehr beliebt ist, ist eigentlich schade, daß bloß SIGNUM-Dokumente einer Rechtschreibprüfung unterzogen werden können. Wer denkt an Tempus-Word, Script oder That’s Write?

Eindeutiger Trumpf von Lektorat ist die schnelle und sichere Rechtschreibprüfung mit Korrekturmodus. Der zeitliche Nachteil muß dafür aber in Kauf genommen werden. Man importiert eine ASCII-Textdatei zu Prüfzwecken nach Lektorat, um sie dann nach den Regeln der grammatischen Künste (Syntaktik, Semantik, Pragmatik) zu bearbeiten, und erhält retour einen fehlerbereinigten und geprüften Text. Diesen braucht man nur noch als ASCII-Datei zu speichern und in das ursprüngliche Textformat zu konvertieren.

Bezugsadresse:
Lektorat GbR Kubasch & Stahl Dachsbergstr. 6b W-3500 Kassel


Ralf Blittkowsky
Aus: ST-Computer 07 / 1991, Seite 28

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