CeBIT ’90 - Alwin Stumpf im Interview

Während der acht CeBIT-Tage hatten wir Gelegenheit, ein Gespräch mit Alwin Stumpf, Geschäftsführer von ATARI Deutschland, zu führen. Lesen Sie seine Gedanken zu ATARI heute und morgen

ST: Als CeBIT-Neuigkeit gibt es von ATARI einzig den Lynx und den TT/X. Viele Besucher und Aussteller hier auf dem ATARI-Stand haben das Gefühl, daß von ATARI nichts Neues kommt.

Stumpf: Wir haben aus der Vergangenheit gelernt. Wir sagen, wir kündigen nichts mehr an und zeigen keine Produkte mehr, die nicht in weniger als zwei Monaten geliefert werden. Daher gibt es auf der CeBIT wenig Neues zu sehen. Das scheint aber leider auch nicht allen zu gefallen. Außerdem ist die ATARI-Messe in Düsseldorf für uns beinahe wichtiger als die CeBIT. Wir werden dort im Herbst neue Produkte zeigen

Die Düsseldorfer Messe bleibt eine Verkaufsmesse, allerdings ist ATARI-Hardware davon nach wie vor ausgeschlossen. Auf Wunsch der Aussteller und der Presse denken wir darüber nach, am Donnerstag, also dem Anreise- und Aufbautag, von 14 bis 21 Uhr die Messe ausschließlich für das Fachpublikum zu öffnen, denn viele, die selbst dort ausstellen, können sich sonst nur schlecht einen Überblick über die Messe verschaffen.

ST: Aus dem Kreis der Händler ist Unmut zu vernehmen. ATARIs Vertriebs- und Preispolitik macht einigen zu schaffen. Außerdem sind einzelne Produkte seit Monaten nicht lieferbar.

Stumpf: ATARI teilt das Angebot jetzt eindeutig in zwei Teile. Da ist zum einen die Consumer-Schiene mit dem 1040 STE und dem 1040 STFM. Diese Geräte werden auch über den Versand- und Kaufhaushandel abgesetzt. Zum anderen die Mega STs. Diese professionellen Geräte wird es weiterhin nur über den Fachhandel geben.

Zu den Lieferschwierigkeiten ist zu sagen, daß es sie nicht mehr gibt. ATARI hatte nicht damit gerechnet, daß einige ST-Modelle so gut laufen würden. Vor allem beim 1040 STFM und beim MEGAST1 war die sehr große Nachfrage nicht vorauszusehen. Wegen der großen Nachfrage im IV. Quartal und der langen Vorlaufzeit zwischen Planung und Auslieferung kam es dann im Januar/Februar zu Lieferengpässen. Diese Rückstände sind jetzt, Ende März, überwunden.

ST: Was wird aus dem 1040 ST?

Stumpf: Diesen Typ gibt es nicht mehr. Es werden ausschließlich der 1040 STFM und der 1040 STE produziert.

ST: Die Händler berichten von hohen Ausfallquoten bei neuen Geräten.

Stumpf: Wir kontrollieren die Qualität der Geräte regelmäßig und haben eine „Dead-on-Arrival““-Quote von weniger als 0,3 Prozent. Das bedeutet, daß etwa von 333 Produkten eines den Handel defekt erreicht.

ST: Techniker, die im Kundendienst arbeiten, aber auch Produzenten von Hardware-Erweiterungen klagen über häufige Revisionen an den Geräten. Geänderte Platinen-Layouts und Chip-Sätze machen ihnen zu schaffen.

Stumpf: Der Markt für Komponenten ist heiß. Aus Gründen des Wettbewerbs müssen wir permanent die Kosten senken. Außerdem haben wir für jedes Bauteil der Rechner mehrere verschiedene Zulieferer. Auch das ist notwendig, um große Lieferschwankungen zu vermeiden, denn ATARI ist ein Massenhersteller. Wir beliefern viele OEM-Kunden mit unseren Maschinen, und die kommen damit klar, obwohl diese ja die meisten Probleme haben müßten.

ST: Der Floppy-Controller ist neu, und einige Leute haben damit Schwierigkeiten.

Stumpf: Das mag sein, diese Änderung war aus produktionstechnischen Gründen nötig. Unsere Peripherie läuft problemlos mit dem neuen Chip, und für alles andere sind wir natürlich nicht verantwortlich.

ST: Sie zeigen hier in Hannover endlich den TT in seiner endgültigen Form. Kommt diese Maschine mit ihrem 68030-Prozessor. der mit 16 MHz getaktet ist, nicht eigentlich zu spät? Apple zum Beispiel zeigt auf dieser Messe bereits eine Maschine mit dem 68030, die über acht Megabyte Hauptspeicher verfügt und mit 40 MHz läuft.

Stumpf: Wir beginnen mit 16 MHz und 2 bis 8 MB RAM. aber das bedeutet ja nicht, daß die Entwicklung nicht weitergeht. Der TT wird jetzt, das hei ßt unmittelbar nach Messeschluß, geliefert. Zunächst an Entwickler, ab 15. Mai 1990 dann an den Handel.

ST: Und der Preis des TT?

Stumpf: Wir haben bei der Vorstellung des TT in Düsseldorf einen Preis von 6498 DM einschließlich Farbmonitor. 2 MB Speicher und 40 MB Festplatte genannt. Ich werde heute keinen anderen nennen.

ST: Wie geht es weiter mit dem TT?

Stumpf: Wir werden auf der ATARI-Messe 90 in Düsseldorf den TT/X, eine weitere Version mit einer größeren Hardware für das Betriebssystem UNIX zeigen. Wahrscheinlich wird er in einem Tower-Gehäuse eingebaut sein.

ST: Was macht eigentlich die ATW, die ATARI Transputer Workstation?

Stumpf: Wir fertigen jetzt die komplette Maschine in England, in Cambridge. Insgesamt werden in Europa zur Zeit ca. 20 bis 30 Geräte pro Monat ausgeliefert.

ST: Wo ist der Markt für die ATW?

Stumpf: Die Einsatzbereiche liegen in der Bildbearbeitung, in der Animation und in Optimierungsaufgaben. Wir wissen allerdings nicht von allen Kunden, was im einzelnen mit der ATW gemacht wird. Das liegt daran, daß viele Geräte in Bereichen eingesetzt werden, die der Geheimhaltung unterliegen.

Vielleicht wird es mal eine kleinere, eine Low-Cost-Version der ATW geben.

Denn das ATW-Konzept ist erfolgreich und stößt auf gute Resonanz. Wenn sie mit drei bis vier zusätzlichen Transputerkarten ausgerüstet wird, dann bietet sie zum Preis von 15000 DM plus 2000 je Karte ein bisher nicht erreichtes Preis-Leistungsverhältnis.

ST: Sie stellen hier auf der CeBIT den Lynx vor. Ist ATARI auf dem Weg zurück zu den Wurzeln, zum Spielcomputerproduzenten?

Stumpf: Der Lynx ist ein technologisch sehr interessantes Gerät. Für 399 DM bekommt der Käufer faszinierende High-Tech in die Hand. Was den Ruf betrifft, so spricht doch auch niemand davon, daß ein Weltkonzern wie Philips Glühlampen, oder Siemens Staubsauger herstellt. Daß Spiele technologisch unter Niveau sein sollen, das sind vorgeschobene Argumente von Leuten, die nach wie vor Vorurteile gegenüber ATARI haben und z.B. weder von Hardware noch von Software viel verstehen.

ST: Es gibt Anzeichen, daß Apple einen Volks-Mac bringt. Wie reagiert ATARI darauf?

Stumpf: Wissen Sie, die Leute, die unbedingt einen Macintosh für ihr persönliches Image brauchen, die gehören nicht zu unserer Zielgruppe. Apple ist hier so etwas wie ein Imagehersteller. Wer meint, daß er dieses Image braucht, der kauft ohnehin nicht ATARI. Wir sind ein Massenhersteller, und wir machen ein anderes Marketing als Apple.

ST: Mittlerweile haben Sie ja einige PCs im Programm. Wie wird in der Zukunft ATARIs Produktpolitik aussehen?

Stumpf: Wir machen in Deutschland 25 Prozent des Umsatzes mit den IBM-kompatiblen Geräten. Diese bleiben ein Standbein. Der Entwicklungsaufwand für einen PC ist vergleichsweise gering. So hat der ABC 386 SX lediglich ein Drittel der Entwicklungszeit des Lynx in Anspruch genommen. Außerdem wird die Produktion durch die PC-Fertigung gleichmäßiger ausgelastet. Wir werden aber weiterhin das Hauptgewicht unserer Entwicklung auf die Modelle mit 680x0-Prozessoren von Motorola legen, denn wir sind von diesen Microprozessortypen überzeugt.

ST: Wie hat sich der 1040 STE seit der Vorstellung in Düsseldorf im letzten Jahr entwickelt?

Stumpf Mittlerweile verkaufen wir genauso viele Geräte vom Typ 1040 STE wie vom 1040 STFM. Langfristig ist abzusehen, daß es nur noch ein einziges Gerät mit der Farbfähigkeit und dem Sound des STE sowie eingebautem HF Modulator geben wird.

ST: Der Stacy, der ST-Laptop, ist nicht überall auf positive Kritik gestoßen. Vor allem der hohe Stromverbrauch macht ihn unflexibel.

Stumpf: In Deutschland beziehen sich 95 Prozent der Nachfrage auf den Stacy 4 mit 4 MB Speicher und 40 MB Festplatte. Es gibt deshalb in Deutschland zur Zeit nur dieses Modell. Da der Stacy aber zum überwiegenden Teil von Musikern eingesetzt wird, ist der Mangel nicht gravierend.

ST: Wo geht ATARI hin?

Stumpf: Unser Entwicklungsaufwand bezieht sich zu 80 bis 90 Prozent auf die ST- und TT-Modelle. Sie erkennen daran den Schwerpunkt unserer Arbeit. ATARI hat vor kurzem einen Custom-Chip-Designer in Dallas übernommen. Dorthin wird ein Teil der ST-Entwicklung verlagert.

Bei der Peripherie wird es auch Änderungen geben, die sich einfach aus der Entwicklung des Marktes ergeben.

In Raunheim werden unsere Räume viel zu knapp, und wir werden daher noch in diesem Jahr den Grundstein zu einem neuen Verwaltungs-, Lager- und Technikgebäude in Schwalbach in der Nähe von Frankfurt legen.

ST: Herr Stumpf wir danken Ihnen für das Gespräch



Aus: ST-Computer 05 / 1990, Seite 17

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