Soundmachine II

Musikprogramme für den ST gibt es in riesiger Auswahl. Der MIDI-Port macht den Computer zu einem idealen Gerät für Musiker. Diese arbeiten mit dem Soundchip. Sampler digitalisieren Geräusche und spielen sie dann ab. Soundmachine II macht beides. Mit diesem Programm läßt sich mit digitalisierten Klängen komponieren.

Das Programm wurde bereits in Ausgabe 2/89 getestet und liegt nun in der überarbeiteten Version II vor. Grund genug also. Ihnen die Neuerungen des Programms vorzustellen. Soundmachine II ist ein Musik- und Geräusch-Editor, mit dem man sich fertige Stücke „nur anhören“ oder sie in eigene Programme einbauen kann. Die Stücke kann man auf einem Notenblatt selbst eingeben. Dazu bedient man sich entweder der Maus oder der Tastatur, bei beiden Alternativen können alle Symbole erreicht werden, die zur Erstellung einer Komposition benötigt werden (Noten. Pausen, Baßschlüssel etc.). Die Notation entspricht leider nicht ganz der. wie sie auf einem Notenblatt ist, doch auch für einen Musiker mit Leib und Seele dürfte die Umstellung keine Probleme mit sich bringen.

In herkömmlichen Musikstücken werden die Noten so gespielt, wie sie auf dem Notenblatt stehen: alles, was untereinander steht, wird auch gleichzeitig gespielt. Bei Soundmachine II kann das auch anders sein. Doch wie ich bereits schrieb, gewöhnt man sich schnell an die Soundmachine II-Notation. Um die Eingabe zu erleichtern, gibt es einen Cursor, der die Position auf den 3 Notensystemen anzeigt. So weiß man immer genau, an welcher Position man sich befindet.

Editor-Funktionen

Im Gegensatz zur Soundmachine I hat sich im Editor einiges geändert. So sind nun auch Blockfunktionen mit Einfügen, Kopieren, Loschen, Laden und Speichern eines Blocks möglich. Normalerweise geschieht das Einfügen einer Note durch die Insert-Taste. Dadurch wird Platz für jeweils eine Note geschaffen. Dieser Vorgang muß für jede Note wiederholt werden, weil der Insert-Modus nicht dauerhaft eingeschaltet werden kann. Weiterhin existieren nun auch l/32-Noten. Leider mußte dadurch aber die 3/2-Note weichen. Sie muß ersetzt werden durch mehrere Noten, die zusammen den gleichen Wert bilden. Triolen, die in der Version I noch fehlten, sind jetzt auch vorhanden. Auch Blättern ist einfacher geworden, ein einfacher Tastendruck genügt, um nach rechts oder links zu gelangen.

Wie auch in Version I, können bei Soundmachine II pro Zeile 9998 Positionen eingegeben werden, das entspricht maximal ungefähr 14000 Noten. Diese Anzahl sollte wohl auch für größere Musikstücke ausreichend sein. Alle Symbole, die man als Musiker (oder aus dem Musikunterricht) schon kennt, sind auch in Soundmachine II enthalten. Zwei Notenschlüssel für Sopran und Baß, die durch Kreuze erweitert werden können, bestimmen die Tonart des Stücks. Während des gesamten Stücks lassen sich beliebig viele Schlüssel einsetzen. um die Tonart neu zu definieren. Der Taktstrich, der normalerweise in jedem Stück vorhanden sein sollte, dient in Soundmachine II lediglich dazu, die Geltungsdauer der Vorzeichen zu begrenzen oder eine Rücksprungmarke zu setzen, denn das Programm kennt kein Taktmaß. Doppelte Taktstriche beenden ein Stück oder springen aus einer „Unterroutine“ (Refrain etc.) zurück.

Bild 1: Der Noten-Editor von Soundmachine II

Spezialkommandos

Durch verschiedene Kommandos kann man erheblich auf den Ablauf des Stücks einwirken - vergleichbar mit einer sehr einfachen Programmiersprache. Ein in das Notenblatt eingesetztes ‘T bewirkt z.B. eine Transponierung des entsprechenden Kanals um maximal zwei Oktaven nach oben oder unten. Dadurch kann beispielsweise ein Sample in seiner Tonhöhe an bereits vorhandene Stücke angepaßt werden.

Mit dem „L“-Kommando schaltet man den Legato-Effekt ein. Dadurch werden Töne, die nacheinander angeschlagen werden, mit einer Bindung gespielt. Das wirkt wie das gebundene Spiel auf einem Instrument, und man kann recht überzeugende Effekte damit erzielen.

Durch „P“ wiederum läßt sich ein Portamento-Effekt erzielen. Portamento nennt man den Effekt, wenn ein Ton nicht sofort seine Soll-Tonhöhe erreicht, sondern sich langsam diesem Soll nähert. Die Länge dieser Attack-Phase läßt sich frei bestimmen.

Das „V“-Kommando dient dazu, die Geschwindigkeit des Stücks zu bestimmen. Leider wird die Einheit dieses Kommandos nicht in einer üblichen Einheit wie ‘Schläge pro Minute’, sondern willkürlich angegeben. „V400“ entspricht beispielsweise 120 Schlägen pro Minute. Der Parameterbereich variiert von 100 (schnell) bis 3000 (langsam).

Wie auch in der Version I, weist der „S“-Befehl einer Stimme einen bestimmten ‘Shape’ zu. Ein Shape ist eine Zusammenstellung von Samples (s.u.).

Der wohl komplizierteste Spezialbefehl von Soundmachine II ist der „X“-Befehl. Auch hier hat sich nichts zur Vorgängerversion I geändert. Ohne Parameter wird die Sound-Verarbeitung für 1/10 Sekunde unterbrochen. In dieser Zeit steht einem evtl, gleichzeitig ablaufenden Programm fast 100% der Prozessorzeit zur Verfügung. Bei Angabe eines einzigen Parameters wird der Sample mit der Nummer n (Befehl „Xn“) ein einziges Mal in normaler Lautstärke abgespielt. Normalerweise werden bei Soundmachine II pro Sekunde 18900 Sound-Werte ausgegeben. Damit ist der Prozessor zu 100% beschäftigt. Eigene Programme können also nicht nebenher ablaufen. Durch „X66“ kann man die Abtastfrequenz auf 13100 Werte senken (66%). Durch „X100“ gelangt man wieder in den 18900-Werte-Modus zurück.

Mit „F“ wird einer der 7 vorhandenen Variablen ein Wert zwischen 0 und 255 zugewiesen. Diese Variablenwerte lassen sich z.B. für bedingte Sprünge benutzen.

Mit den Befehlen „J’“, „R“, „C“ und „U“ kann dann, bedingt oder unbedingt, zu Labels gesprungen werden. Um ein Flag um eins zu erhöhen, gibt es den Befehl „I“.

Krach

Auf den mitgelieferten Disketten sind über 70 Samples von den verschiedensten Instrumenten enthalten, deren Qualität recht meist recht gut ist. Ein Stück krächzt jedoch meistens etwas und klingt blechern, was jedoch weniger mit dem Programm als mit dem Soundchip zusammenhängt. Höchstens 16 dieser Sounds können als Shapes in den Rechner geladen und dann über das oben erwähnte „S“-Kommando den einzelnen Stimmen zugewiesen werden. Jedes Sample/Shape hat eine regelbare Lautstärke und Ablaufmodus.

Sie werden sich fragen, was ein Shape ist? Das ist prinzipiell eine Ablauftabelle für Samples, die aus jeweils einer Sample-Nummer und einer Frequenzveränderung relativ zur Originalhöhe besteht. Wozu das alles? Um beispielsweise ein Vibrato zu erzeugen, sind Shapes sehr einfach zu benutzen.

Die erstellten Sounds kann man auch in eigenen Programmen verwenden. Dazu sind sämtliche Daten der Komposition zu compilieren. Heraus kommt eine sogenannte „Precode-Datei“, die von einem mitgelieferten Programm interpretiert werden kann. Die Steuerung ist nicht schwer, Programme in mehreren Programmiersprachen werden mitgeliefert.

Bild 2: Mit diesem Editor lassen sich Shapes behandeln.

Weitere Programme

Auf der Programmdiskette befinden sich außer Soundmachine II zwei weitere Programme. Das eine ist Beatmachine. das auch schon bei der ersten Version mitgeliefert wurde. Mit diesem Programm ist es, mehr oder weniger komfortabel, möglich, eigene Drum-Sounds zu entwerfen, die dann in der Soundmachine II benutzt werden können.

Mini-Soundmachine ist ein wirklich neues Programm. Mit diesem Programm kann man ebenfalls Sounds erstellen, diese allerdings in einer wesentlich schlechteren Qualität. Dafür benötigt die Mini-Soundmachine wesentlich weniger Prozessorzeit. und die fertigen Sounds lassen sich leichter in eigene Programme einbauen. Das ist besonders sinnvoll, wenn das eigene Programm viel Rechenzeit benötigt.

Fazit

Soundmachine ist einfach zu bedienen, nach einiger Zeit nerven aber die Alert-Boxen („Sind Sie sicher?“). Alle möglichen Tastenkombinationen stehen dauerhaft auf dem Bildschirm, das Handbuch kann also im Schrank bleiben. Apropos Handbuch: Der Autor hat sich zwar viel Mühe damit gegeben, doch für Laien ist es ziemlich unverständlich geschrieben. Des öfteren wird auch auf Beispiele verwiesen. die sich dann entweder gar nicht im Handbuch befinden, oder aber an einer Stelle, an der man sie nicht vermutet hätte.

Die Klangqualität ist für einen ST recht akzeptabel, auch über einen A/D-Wandler läßt sich die Ausgabequalität nur unwesentlich verbessern. Soundmachine II holt alles aus dem ST heraus, was irgendwie machbar ist. Zur Vertonung von eigenen Programmen hat man mit Soundmachine II ein hervorragendes Tool. Eigene Sounds in dieser Qualität zu erstellen, wäre zu zeitaufwendig. DM 199.- sind für das Programm und seine Leistungen nicht zu viel.

MP

Bezugsquelle TommySoftware Selchower Straße 32c 1000 Berlin 44



Aus: ST-Computer 04 / 1990, Seite 75

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