ATARI in der Schule

Mit dem Computer lernen, über den Computer lernen, die Formalarbeit des Lehrers vereinfachen, Stundenplan-und Schulorganisation. Das sind die Hauptaufgaben, die Rechner im Schuleinsatz zu bewältigen haben. Für solch weitreichende Themengebiete braucht es Soft-, aber auch Hardware.

Gleichsam Pflanzen, die im Verborgenen blühen, gibt es bereits eine ganze Reihe von Lösungen für den Schuleinsatz des ATARI ST. Nahezu alle sind von engagierten Lehrern in ihrer Freizeit erstellt worden. Einige davon waren im November letzten Jahres in den Verkaufsräumen der Firma CC-Computer in Dortmund zu besichtigen. Anläßlich dieser kleinen Ausstellung gab es am 7. November in Dortmund ein Treffen zwischen Herrn Reitze von ATARI Deutschland und Herrn Schulte-Borberg. einem Hauptschullehrer. der sich sehr engagiert mit dem Themenkreis ST und Schule auseinandersetzt. Natürlich ließen auch wir uns dieses Treffen nicht entgehen.

Dieter Schulte-Horbery (links), Initiator der Interessengemeinschaft und ATARIs Lothar Reitze

Geschichte

Dieter Schulte-Borberg unterrichtet an Hauptschulen Technik im Rahmen des Faches Arbeitslehre. Außerdem ist er in der Lehrerfortbildung tätig. Zuhause hat er schon lang einen ST, ohne den er keine Unterrichtsplanung und keinen Stundenplan mehr erstellt. Doch als er versuchte, den ST auch im Unterricht einzusetzen, stieß er auf Widerstände verschiedener Art.

Da seien zunächst konservative Kollegen, die teils aus Angst, teils aus Überzeugung einen derartigen Einsatz ablehnten, schildert er seine Erfahrungen. Wenn der Schulleiter selbst dazugehörte, sei das besonders schwierig. Vor allem aber Stellen, die sich im Auftrag des Kultusministers um Lehrpläne und Lehrmittel kümmerten, seien schwer zu überzeugen. Dafür gibt es in Nordrhein-Westfalen, wo Schulte-Borberg arbeitet, das 'Landesinstitut für Schule und Weiterbildung' in Soest. Dieses hat für den Einsatz in Schulen bisher IBM-kompatible Rechner vorgeschlagen. Dieser Einsatz betrifft sowohl die Verwaltung der Schule (in diesem Bereich gibt es bislang gute Software wirklich nur auf MS-DOS), als auch die Vermittlung von Anwenderwissen, z.B. in den Bereichen Datenbank und Textverarbeitung sowie den Einsatz als Lehrmittel, beispielsweise zur Steuerung und Auswertung von Versuchen im Physik-Unterricht.

Doch hat Schulte-Borberg den zunächst harten Widerstand des Instituts bereits ein wenig auflösen können. Er hofft nun auf die Hilfe vor allem von ATARI selbst, um den ST in den Schulen plazieren zu können. Als Gründe für sein Engagement nennt er vor allem die leicht erlernbare grafische Benutzeroberfläche des ATARI, die einfache Grafikprogrammierung (in den schnellen BASIC-Dialekten von GFA und Omikron) und nicht zuletzt die niedrigen Preise für Soft- und Hardware. Er hält den ST schlicht für geeigneter, um Schülern den Computer nahezubringen.

Auf Einladung von ATARI selbst zeigten auf der ATARI-Messe '89 in Düsseldorf Lehrer aus verschiedenen Bundesländern ihre Arbeiten mit dem ST. Herr Schulte-Borberg fehlte dort natürlich nicht und zeigte einige der von ihm und anderen Pädagogen entwickelten Lehrmodelle (wir berichteten darüber). Aufgrund der großen Resonanz, die er dort erhielt und des positiven Zuspruchs seiner Kollegen gründete er kurzerhand die Interessengemeinschaft ‘ATARI ST in der Schule'.

Gegenwart

Die Ausstellung im Schaufenster der Dortmunder CC Computer

Im Rahmen dieser Interessengemeinschaft sammelt der Initiator Schulte-Borberg nun erst einmal Adressen und Informationen. Er möchte soviel Lehrer- und Schulaktivitäten in Sachen ATARI ST erfassen, wie nur möglich. Er versteht die Interessengemeinschaft dabei zunächst als Pool, der Fragen und Antworten sammelt. Kollegen, die sich bei bestimmten Unterrichtseinheiten des STs bedienen wollen, soll genauso geholfen werden, wie solchen, die sich noch gar nicht für einen bestimmten Rechner entschieden haben. Als herausragende Beispiele für den Einsatz, den seine Kollegen an den Tag legen, nennt Schulte-Borberg das Übertragen kompletter Lehrprogramme von Turbo-Pascal nach ST Pascal plus. Zur Ansteuerung externer Interfaces gibt es für Turbo-Pascal eine Prozeßsprachenerweiterung, anhand derer die Schüler ein Stück NC-Steuerung lernen. Diese Erweiterungsbibliothek wird ebenfalls für GFA-Basic und ST Pascal zur Verfügung stehen.

Bereits jetzt gibt es Lehrmittel auf Basis des ST zu kaufen. So stellt die Dortmunder Firma Learnware ein universelles Interface für den Schuleinsatz her, mit dem sowohl gesteuert als auch gemessen werden kann. Das ‘Oktobus’ genannte Gerät ist allerdings nicht nur für den Lehreinsatz interessant: Es wird an die serielle Schnittstelle eines beliebigen Rechners angeschlossen und hat acht Ein- und Ausgänge. Es zeichnet sich durch Robustheit und einfache Programmierung aus.

Daneben gibt es von der gleichen Firma ein Multifunktions-Lehrgerät, das sowohl als Hitzdraht-Schneidegerät für Styropor als auch als Plotter eingesetzt werden kann. Auch diese Maschine ist äußerst robust aufgebaut und kann mit eigenen Anbauten für nahezu alle Zwecke gebraucht werden.

Was tut ATARI?

Angesichts solch vehementen Einsatzes wollten wir natürlich wissen, wie ATARI sich verhält. Wir fragten daher Lothar Reitze, der bei ATARI in Raunheim für den Vertrieb im Schulbereich verantwortlich ist, wie die dortigen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Einsatz in der Schule aussehen.

Er stellte zunächst ATARIs grundsätzliche Politik in den Vordergrund, dem Spiel der Kräfte freien Lauf zu lassen. Die Firma möchte so wenig wie möglich selbst lenken, statt dessen punktuelle Aktivitäten wie die der Interessengemeinschaft unterstützen. Er sagte daher im Namen von ATARI Deutschland Herrn Schulte-Borberg kostenlose Hardware zu. Derartiges sei durchaus üblich, man habe bereits in der Vergangenheit in dieser Form interessante Projekte an verschiedenen Schulen unterstützt.

Das Thema Messen als Foren des Entwicklungsstandes wird bei ATARI ganz großgeschrieben. Die Einladung zur letzten AT ARl-Messe, der ja vier Bundesländer folgten, wie auch die Präsenz auf der ‘Interschul’ im Februar in Dortmund gehörten dazu und seien auch für ATARI Neuland.

Entwickler Schäfer und seine Vielzweck-Schneidemaschine

In Zukunft wolle man aber verstärkt Kontakt zu Beschaffungsstellen aufnehmen und dort die Vorteile des STs herausstellen. Desgleichen müsse auch mit derartigen Stellen wie dem bereits erwähnten Landesinstitut geschehen. Schwierig, so Reitze, seien dabei allerdings die von Bundesland zu Bundesland verschiedenen Lehrpläne und die völlig unterschiedlichen Strukturen, nach denen die Lehrbetriebe gegliedert seien. So müsse man sich in jedem Bundesland (Lehrpläne sind Landessache, die Beschaffung der Lehrmittel jedoch Sache der Kommunen) wieder auf andere Ansprechpartner einstellen.

Perspektiven

Alle Aktivitäten im Zusammenhang mit Computern, so stellte Herr Schulte-Borberg heraus, seien bislang an den Schulen in der Bundesrepublik ohne weiterführende Richtlinien geschehen. Erst seit Anfang '90 gebe es in Nordrhein-Westfalen landesweit das Fach ‘Grundbildung der Informations- und Kommunikationstechnologie’, kurz GRIN. Die Einführung dieses landesweit festgelegten Unterrichtes, der für alle Schüler ab der 8.Klasse stattfindet, werde eine Sogwirkung auf Computer- und Software-Hersteller ausüben. Gerade hier sieht er den Hauptansatzpunkt für die Interessengemeinschaft. Denn im Zuge des neuen Faches werden sich eine Menge Pädagogen, ja oft ganze Schulen, die bislang Computer im Unterricht ignorierten, orientieren müssen.

Für die IG selbst wünscht er sich Dinge wie eine PD-Sammlung, die speziell Programme aus den Bereichen Lehren und Lernen, Schulorganisation und Lehrerplanung verwaltet. Aber auch professionelle Software soll unterstützt werden, Gewinn daran sollen jedoch die Autoren machen. Finanzielle Interessen weist Schulte-Borberg grundsätzlich von sich. Zunächst einmal wünscht er sich nur. daß sich möglichst viele seiner Kollegen bei ihm melden, um von ihren Aktivitäten zu berichten.

Die Exponate

Wenden wir aber noch kurz unseren Blick auf die Modelle, die die Ausstellung, die ja schließlich Anlaß des Treffens war, bildeten. Alle gezeigten Geräte wurden über das bereits erwähnte Interface angesteuert. Die Programme waren entweder in Pascal, GFA-BASIC oder Turbo-Pascal (dann werkelte im ST-Bauch ein PC-Speed) erstellt worden. Blickfang schlechthin war die ebenfalls schon angesprochene Schneidemaschine, die in einer zweiten Version als Platinenbohrmaschine im Einsatz war. Anhand dieses Modells können die Schüler in mehreren Arbeitsabschnitten die Entwicklung von der klassischen Handsteuerung einer Maschine bis zum CIM-Gedanken kennenlernen. Denn ersteres ist genauso möglich wie die (Steuer- )Datenübernahme aus einem CAD-Programm.

Ein anderes Modell simuliert auf sehr anschauliche Weise eine Flaschenabfüllanlage. Auf einem Drehtisch befinden sich sechs Behälter, die mittels Pumpe mit einer Flüssigkeit befüllt werden müssen. Dabei muß das steuernde Programm sowohl den Tisch als auch Füllstand und Pumpe kontrollieren. Hier sollen die Schüler das steuernde Programm selbst verfassen. Schäumenden Abschluß dieser Einheit aus Schulte-Borbergs Technikunterricht bildet die Besichtigung einer real existierenden Limonaden-Abfüllanlage.

Als drittes Beispiel aus der Reihe der Exponate sei die Programmierung eines Aufzugsmodells genannt. Auch hier soll die Programmerstellung Schülersache sein. Zu kontrollieren sind der Fahrstuhlmotor und die Ruftasten auf vier Etagen. Ziel ist im weitesten Sinne, ein Gefühl für die Komplexität alltäglicher Abläufe zu vermitteln. Denn die Logistik einer Fahrstuhlsteuerung will erst einmal durch Abgucken begriffen sein. Da der Schüler die Aufgabe jedoch allein bewältigen kann, wird so dem Computer wieder ein Stück von seinem Mythos genommen. Das Programm, das den Ausstellungsaufzug kontrollierte, glänzte durch liebevolle Grafik: Es zeigte den Fahrstuhl inkl. Stockwerkanzeige und sich öffnender und schließender Schiebetür aus der Sicht der Mitfahrenden.

IB

Zum Schluß noch die Adresse, an die sich alle Interessenten wenden können:

Interessengemeinschaft 'ATARI ST in der Schule"
c/o Dieter Schulte-Borberg Am Graben 45
5757 Wickede-Ruhr



Aus: ST-Computer 02 / 1990, Seite 64

Links

Copyright-Bestimmungen: siehe Über diese Seite