Script - Textverarbeitung à la Mac

Wer ein ST-Anwender der ersten Stunde ist, dem ist vielleicht noch der Rechtsstreit zwischen ATARI und Apple wegen der ähnlichen Benutzeroberfläche, dem Desktop, in Erinnerung. Bald darauf kamen die ersten Mac-Emulatoren, die es erlaubten, Mac-Program me auf dem ST laufen zu lassen. Nun scheint die nächste Generation der Gemeinsamkeiten eingeläutet zu werden: Es werden auf dem ST Programme geschrieben, die Mac-Programmen doch sehr ähnlich sehen. Bewährte Mac-Standards auf dem ST? Das neueste Produkt von Application Systems scheint es zu beweisen, denn wer das Mac-Programm WriteNow kennt, wird sich sofort in Script heimisch fühlen.

Nachdem 1987 Signum! seinen Siegeszug auf dem ATARI ST begonnen hat, kommt jetzt die zweite Textverarbeitung von Application Systems auf den Markt. Sie soll wohl diejenigen ansprechen, denen Signum! zu teuer und/oder zu umständlich in der Bedienung ist. Gleichzeitig muß man Script bei einem Preis von DM 198,- aber auch als Konkurrenz zu Wordplus ansehen, da sie im gleichen Preisbereich angesiedelt sind.

Wichtigster Punkt von Script ist in jedem Fall seine leichte Bedienbarkeit, denn die Funktionen sind übersichtlich und fast alle Menüpunkte auf Tastenkombinationen gelegt (s. Bild 1). Es besteht sogar die Möglichkeit, die Tastenkombinationen mittels eines Resource-Construction-Sets individuell zu verändern, da Script sich die entsprechenden Buchstaben aus den Pull-Down Menüs holt.

Script kann maximal vier Texte gleichzeitig verwalten, zwischen denen man mittels Tastendruck hin- und herblättern kann. Accessories sind im Gegensatz zu Signum! zugelassen. Eins wird sogar gleich mitgeliefert, denn es konvertiert Wordplus- und MS-Word-(RFT-Format)-Dateien in sogenannte Script Import-Dateien (STI), die mittels der Script-Funktion ASCII einfügen eingelesen werden können. Der besondere Witz daran ist, daß Textattribute wie fett, kursiv, unterstrichen usw. automatisch übernommen werden.

Script verfügt über eine schnelle Scrollgeschwindigkeit, die zwar nicht an Tempus herankommt, aber es handelt sich hier auch nicht um einen Editor zum Programmieren. Leider läuft der Cursor derzeit noch etwas nach, so daß man auch schon mal über sein Ziel hinausschießen kann. Dies kommt ja leider bei vielen Programmen vor und läßt sich wohl GEM-bedingt nicht sauber lösen.

Bild 2: In Script fassen sich bis zu 256 Signum!-Zeichensätze verwenden.

Signum!s Erbe

Die Textdarstellung erfolgt je nach Zeichensatz proportional oder unproportional, wobei wir bei einem weiteren wichtigen Vorteil Scripts angekommen sind, denn es arbeitet mit Signum!-Zeichensätzen. Damit stehen Script über 900 verschiedene Zeichensätze zur Verfügung, die ja teilweise schon professionell eingesetzt werden (s. Bild 2). Mitgeliefert werden drei Zeichensätze der Rokwel-Familie (11 Punkt prop., 11 Punkt unprop. und 15 Punkt). Genau wie in Signum! lassen sich diese Zeichensätze in den Arbeitsspeicher laden und in einer Dialogbox anzeigen (Bild 3), so daß man einen schnellen Überblick über das Aussehen der Fonts bekommt. In Script wurde die Box sogar insoweit erweitert, daß man zwischen den Zeichensätzen blättern kann.

Im Gegensatz zu Signum!, das maximal sieben Fonts verwalten kann, stehen einem in Script maximal 256 zur freien Auswahl. In Anbetracht des ewig währenden Speicherplatzmangels der ST-Besitzer sollte man sowieso nicht so viele Zeichensätze laden, vom rein typografischen Standpunkt einmal abgesehen. In der Regel wird man fast immer dieselben Zeichensätze verwenden. In der Menüleiste werden maximal zehn von ihnen angezeigt. Ab elf erscheinen in der Leiste Pfeile, über die weitergeblättert werden kann. Ein Manko ist, daß die Menüleiste dabei immer wieder zuklappt und von neuem heruntergeklappt werden muß. Aber damit läßt sich leben; es ist sowieso nicht sinnvoll, mehr als zehn Zeichensätze in einem Dokument zu verwenden. Zeichensatzeinstellungen lassen sich wahlweise zusammen mit Attributen wie z.B. fett, groß, klein usw. auf die zehn Funktionstasten legen, damit man schnell zwischen ihnen wechseln kann (Bild 4). Hat man einen festen Fontstamm, den man ständig benötigt, kann man sich ein leeres Dokument mit den Fonts zusammen abspeichern und spart sich so das ewige Laden.

Übrigens lassen sich auch die übrigen Parameter abspeichern, durch die u.a. der Pfad für die Zeichensätze, das Seitenformat, der Druckertreiber usw. bestimmt werden.

Bild 1: Die Menüleiste Scripts

Leicht markiert

Mit Script lassen sich Texte mit der gedrückten Maustaste leicht zeichenweise markieren. Will man dagegen größere Abschnitte selektieren, markiert man einfach den Beginn des Abschnittes, geht an dessen Ende und drückt Control-Shift.

Schon hat man den gewünschten Bereich. Nebenbei gibt es auch eine Funktion Alles selektieren, durch die der gesamte Text markiert wird. Dies ist besonders dann notwendig, wenn man z.B. seinen Text umformatieren will. Auch das Löschen von Texten geht ähnlich einfach vonstatten. Dazu muß man den zu löschenden Text markieren und drückt anschließend einfach die Backspace-Taste. Sollte man aus Versehen, oder weil man es sich anders überlegt haben sollte, seine Entscheidung bereut haben, hilft ein Druck auf die Undo-Taste, und der Text ist wieder da. Dies funktioniert aber nur einen Arbeitsschritt rückwärts (1 Undo-Ebene).

Bild 3: Die Zeichensätze lassen sich übersichtlich anzeigen.

Das Lineal

Ein wichtiger Bestandteil Scripts ist ohne Zweifel das Lineal. Es enthält u.a. alle Tabulatoreinstellungen. Dabei kann man einen Tabulator als links-, rechtsbündig, zentriert oder numerisch definieren. Er wird einfach mittels der Maus an der gewünschten Stelle der Maßskala plaziert und läßt sich dort auch leicht verschieben. Ebenso kann man den linken und rechten Rand und Einrückungen festlegen. Praktisch ist, daß beim Anklicken des Lineals der aktuelle Absatz gleich selektiert wird, da ein Lineal nur für diesen Bereich gilt. Natürlich lassen sich verschiedene Linealeinstellungen in einem Text benutzen. Die Maßskala kann zwischen Zoll und cm umgestellt werden, wodurch ein exaktes Arbeiten möglich wird.

Nicht zu vergessen ist, daß man im Lineal auch zwischen links- und rechtsbündigem Flatter-. Blocksatz und zentrierter Darstellung wählen kann. Auch den Zeilenabstand kann man hier pixelgenau (5-99) verstellen. Warum hier die Einheit Pixel und nicht Punkt Cicero gewählt wurde, ist allerdings unbegreiflich, da man, wenn man schon diese Möglichkeit einbaut, dies auch noch hätte berücksichtigen können, denn nur so wäre ein typografisch genaues Schreiben möglich. Leider verfügt Script über keine automatische Trennhilfe, d.h. man muß gegebenenfalls jedes Wort von Hand trennen. Dazu ist eine weiche Trennung als Tastenkombination vorhanden. Schöner wäre hier ein Trennlexikon, das die normalen Trennregeln beherrscht und für das man eine erweiterbare Ausnahmedatei erstellen könnte. Zwar verfügt Script über keinen Spaltensatz, doch auch schon bei normalem Blocksatz kann eine Trennhilfe von Nutzen sein.

Will man bestimmte Textabschnitte auf keinen Fall durch den automatischen Seitenumbruch unterbrechen lassen, kann man Absätze klammem, d.h. sie werden dann auf einer Seite komplett dargestellt. Gegebenenfalls wird eine neue Seite angefangen.

Bild 4: Zeichensätze kann man inklusive Schriftattribute auf Funktionstasten legen.

STX stellt sich vor

Natürlich gehört zu einer neuen Textverarbeitung auch ein neues Dateiformat; in diesem Falle handelt es sich um das Script-Text-Format (STX). In ihm sind die verwendeten Zeichensätze und natürlich der gesamte Text mit Textattributen usw. enthalten. Darüber hinaus kann Script auch ASCII-Dateien hinzuladen. Leider ist eben nur ein Hinzuladen möglich, wodurch man gezwungen ist, zuerst einen STX-Text anzulegen, wenn man eine ASCII-Datei laden möchte. Hier ist Wordplus weniger wählerisch.

Script bietet auch die Möglichkeit, Bilder im Text zu positionieren. Hier ist es aber ein großer Nachteil, daß man dabei vernachlässigt hat, eine freie Positionierbarkeit eines Bildes als Objekt zu implementieren. Ein Bild wird von Script leider nur als quasi großer Buchstabe angesehen. Ein Formsatz bzw. freies Umfließen eines Bildes ist nicht möglich, da der Cursor die Bildhöhe annimmt (s. Bild 5). Diese Funktion ist also nur für Bilder ohne nebenstehenden Text verwendbar.

Positiv dagegen fällt auf, daß man Bildausschnitte frei bestimmen kann. Dazu ist nach dem Laden des Bildes ein Gummiband vorhanden. Ferner kann man die Bildgröße über eine Dialogbox oder mit der Maus verändern. Für Freunde spezieller Effekte kann man das Bild natürlich auch unproportional vergrößern, sprich verzerren. Script akzeptiert als Bildformate das 32k-Screen- (PIC od. DOO), das Signum!- (I??), das STAD- (PAC) und das GEM-Image-Formal (IMG). Letzteres ist allerdings auf 640 x 400 Pixel beschränkt.

Bild 5: Bilder sind nur als Buchstaben ladbar. Dadurch ist kein Umfließen des Bildes möglich, da der Cursor die Bildhöhe annimmt.

Zeigt her eure Füße

Fußnoten sind für professionelle Texte unabkömmlich. Script unterstützt kontinuierlich durchnumerierte, bei denen keine Nummernwiederholungen Vorkommen dürfen. Es läßt sich aber eine Startnummer angeben. Bilder sind dort nicht zugelassen, was ja auch keinen Sinn ergäbe. Sind Fußnoten zu lang, werden sie automatisch auf die nächsten Seiten übernommen. Zum Edieren der Fußnote öffnet sich ein Fußnotenfenster, in dem auch ein Lineal mit seinen Formatierungsmöglichkeiten zur Verfügung steht.

Neben den Fußnoten kann man eine automatische Seitennumerierung einstellen und Fuß- und Kopfzeilen eingeben. Bei letzteren besteht die Möglichkeit, sie wahlweise auf der rechten, linken oder auf beiden Seiten auszugeben. Auch hier steht ein Lineal zur Verfügung.

Bild 6: Zwischenräume, Zeilenende, Symbole usw. lassen sich ebenfalls wahlweise darstellen.

Eine praktische Idee ist das Einfügen von aktueller Zeit und Datum an der Cursorposition durch Anklicken in der Menüleiste. Man kann dabei zwischen einer Textoder Symbolausgabe wählen. Bei letzterer erscheint ein Symbol auf dem Bild schirm, das ein Platzhalter ist, und wodurch erst beim Ausdruck das aktuelle Datum bzw. Zeit eingefügt wird. So kann man sich z.B. ein leeres Briefformular erstellen und hat automatisch immer das richtige Datum.

Bei leeren Formularen empfiehlt sich übrigens immer der Name NAMENLOS.STX, da bei diesem Namen nur die Funktion Speichern als zum Abspeichern des Textes benutzt werden kann, wodurch ein Überschreiben des Leerformulars verhindert wird.

Die Funktionen Undo, Lineal, Symbole und Platz lassen sich übrigens auch abschalten. Schaltet man die Symbole ein, werden neben Uhrzeit und Datum auch Fuß- und Kopfzeilen, Seitennummern und Trennsymbole angezeigt (s.Bild 6). Bei Platz werden Tabulatoren, Seiten-, Zeilenende usw. als Zeichen dargestellt.

Schwarz auf weiß

Beim Drucken kann Script natürlich wieder auf die riesige Auswahl von Druckerzeichensätzen Signum!s zurückgreifen. Es stehen eine große Anzahl von Druckertreibern zur Verfügung, mit denen so ziemlich alle gängigen Druckerangesteuert werden können. Ähnlich wie bei anderen Application-Programmen können Papierart und Druckerparameter für 9-Nadel-, 24-Nadel- und Laserdrucker eingestellt werden. Es läßt sich zum Drucken zwischen Grafik- (schön) und Draftausdruck (schnell) wählen, wobei bei letzterem noch die Wahl zwischen proportionalem und unproportionalem Druck besteht (s. Bild 7). Ferner kann man seine Werke mit und ohne Bilder zu Papier bringen. Zuletzt gibt es noch einen Leckerbissen für alle Handbuchschreiber: Man kann den linken Rand für gerade und ungerade Seiten verschieden einstellen.

Bild 7: Das Druckermenü Scripts

Fazit

Script bietet für sein Geld schon eine ganze Menge. Ob es allerdings gegen den übermächtigen Konkurrenten Wordplus ankommen wird, sei noch dahingestellt. Seine Vorteile liegen eindeutig bei den Zeichensätzen und Formatierungsmöglichkeiten, den besseren Ausdruck nicht zu vergessen. Nachteile zeigen sich allerdings dagegen in der Bildpositionierung, der Trennhilfe und nicht zuletzt auch im Lieferumfang, denn Wordplus wird neuerdings mit Dateiverwaltung, Serienbrieferstellung und 1st-Xtra ausgeliefert. Trotzdem glaube ich, daß Script seinen Weg machen wird, da mit Sicherheit, wie bereits oben erwähnt, viele, die von Signum! abgeschreckt sind, auf es einsteigen werden. Hinzu kommt, daß sich mit Script dank seiner Scrollgeschwindigkeit und seiner Bedienungsfreundlichkeit auch recht flott arbeiten läßt.

Bezugsadresse:

Application Systems /// Heidelberg Englerstr 3 6900 Heidelberg


Martina Pfahl
Aus: ST-Computer 11 / 1989, Seite 16

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