Editorial

Der Herr Syxmson von der Syxsoft Soft- & Hardware GmbH

“Das ist unmöglich!”, brüllte Herr Syxmson von der Syxsoft Soft- & Hardware GmbH und schleuderte die fast 8.- DM teure Zeitschrift durch den Raum. Während das fliegende Ob jekt eher auf den Boden stürzte als dort landete, griff Herr Syxmson von der Syxsoft Soft- & Hardware GmbH zum Telefonhörer und ließ sich mit dem Chefredakteur der hingeschmetterten Zeitung verbinden.

Herr Sowoty, Chefredakteur von ‘Computer Non Transputer', war an diesem Tag mit dem Verdacht aufgewacht, daß dies kein angenehmer Tag werden würde (Wann hatteer eigentlich den letzten angenehmen Tag erlebt, seit er Chefredakteur war?). Insofern erschreckte es ihn nicht weiter, als die Telefonistin ihm ankündigte, ein Herr Syxmson von der Syxsoft Soft- & Hardware GmbH wolle dringend! mit ihm persönlich sprechen und nicht "mit irgendeinem irrelevanten Redakteur”.

Herr Syxmson von der Syxsoft Soft- & Hardware GmbH wartete ungeduldig auf die Verbindung mit Sowoty. Inzwischen hatte er die hingeschmetterte Zeitung aufgehoben und las wieder und wiederden vernichtenden Bericht mit dem Fazit: "Wir empfehlen unseren Kunden auf keinen Fall den Kauf dieses Produktes, das sich allein durch seine Unprofessionalität und dauernden Abstürze von anderen, ähnlichen Produkten abhebt.”

Auf der anderen Seite der Leitung quälte sich eine vorsichtige Stimme: “Sowoty am Apparat, schön’ guten Tag.”

“Für Sie vielleicht!”, sagte Herr Syxmson von der Syxsoft Soft- & Hardware GmbH, der es fast unverschämt fand, sich unter diesen Umständen so zu melden. “Was haben Sie noch auf Lager, außer guten Tag zu sagen und unqualifizierte Berichte schreiben zu lassen?”

Herr Sowoty, der jetzt sicher war, daß dieser Tag wieder einmal nicht gerade ideal für seinen angekratzten Magen sein würde, war aber trotzdem überrascht, und seine erste Reaktion war nichts anderes als ein überraschtes "Häää?”

"Häää? ist nicht viel besser als guten Tag. Wissen Sie, was Ihr Pamphlet angerichtet hat? Unsere Telefonleitungen laufen heiß, so daß sich keiner mehr traut, dranzugehen. Stornierung um Stornierung belagert meinen Schreibtisch. Niemand will mehr mein Produkt haben. Was denken Sie sich denn? Daß wir Produkte entwickeln, um alle Wünsche der Anwender zu befriedigen? Nein, mein Herr, dahinter stecken sehr durchdachte Wirtschaftsinteressen! Oder haben Sie was dagegen? Sind Sie vielleicht Kommunist? Wenn dem so ist, dann können wir gleich aufhören zu reden!"

“Aber...”

“Nein, mein Herr, versuchen Sie nicht, sich ‘rauszureden. Das kommt überhaupt nicht in Frage! Tatsache ist, daß Sie irgendeine unwissende und gegen uns eingenommene Person unser durchaus professionelles Software-Paket (Ganz nebenbei, unser professionelles Programm wurde schon von anderen Fachzeitschriften in den höchsten Tönen gelobt, was uns veranlaßte, bei diesen Zeitungen dann auch Werbung zu schalten, wie es sich gehört!) haben testen lassen, und daß diese unqualifizierte Person, die nicht über das notwendige Hintergrundwissen verfügt, sozusagen eine Niete, das sieht man gleich, es gewagt hat, sich an unser Programm dranzumachen und nicht zurecht kam. Wie auch?! Der Typ hat ja keine Ahnnung!”

Herr Sowoty merkte, wie die Überproduktion des Magensaftes seinen verstörten Magen angriff. Irgendwie assoziierte er dieses Telefongespräch mit der Erinnerung, wie er als Kind vor dem Zahnarzt saß. Es war in jedem Fall schrecklich mit seinem Magen.

Ja, eine Software ist wie ein Kunststück”, sprach Herr Syxmson von der Syxsoft Soft- & Hardware GmbH weiter, “man muß es mit viel, viel Sorgfalt handhaben. Die Kunst soll nicht wahllos von irgendwelchen Banausen angefaßt werden! Und was soll das, daß das Programm dies und jenes nicht kann? Das ist immer eine Ansichtssache. Wir haben für alles vorher Fachleute konsultiert! Oder meinen Sie, daß wir irgendeine Entwicklung kaufen, ohne sicher zu gehen, daß alles so funktioniert, wie wir es wollen? Nein, mein Herr, das ist alles schon von vornherein geplant, nichts wird dem Zufall überlassen. Was soll die Wertung, daß ein Anfänger nicht zurechtkommen wird? Ja, dann muß er sich halt anstrengen! Mit dem Programm dazu lernen, sich an das Programm anpassen! Ja, mein Herr, denkendes Wesen bleiben, nicht nur Ausführungsorgan sein! Ein neues Programm ist immereine Herausforderung, ein Weg ins Ungewisse, eine Schwelle zum Unbekannten. Ein neues Programm ist wie eine neue Liebe, die zwar viel Aufmerksamkeil verlangt, die man aber nie wieder verläßt! Und unsere Programme sowieso nicht. Denn wir sind so oder so mit der Zukunft vollkommen kompatibel, mein Herr...”

Im Magen von Herrn Sowoty begann der Zahnarzt seiner Erinnerung zu bohren. Er konnte sich nicht mehr richtig konzentrieren. Um die Wahrheit zu sagen, er wollte auch nicht genau zuhören. Es war ihm mittlerweile egal. Wenn er sich nur erinnern könnte, wie der Zahnarzt hieß...

“Und was soll das, daß die Anleitung unverständlich und zu kurz geraten sei, in einem Satz, unbrauchbar ist? Die Anleitung ist - wie das ganze Programm - hochgelobt worden, mein Herr! Auch wegen seiner durchaus technischen Ausdrucksweise. Dazu kommt noch, und das hat nämlich Ihr unqualifizierter Tester überhaupt nicht erwähnt, wozu braucht man eine Anleitung, wenn sich das Programm von selbst erklärt? Und das mit den Fehlern und Ungenauigkeiten, da merkt man, daß sich Ihr Redakteur in der Branche überhaupt nicht auskennt! Alle internationalen Nonnen wurden berücksichtigt. Und wenn es Fehler geben sollte, - was wir ausschließen, aber es können immer welche Vorkommen, wir sind nur Menschen, nicht wahr? - ja dann, wofür gibt es die Updates und die Upgrades? Das hal Ihr Tester auch nicht erwähnt! Kritisiert hat er nur! Nicht ein einziges gutes Wort...”

Ja, jetzt fiel ihm der Name des Zahnarztes ein. der seine ersten Zähne behandeln mußte. Herr Sowoty legte unbewußt den Telefonhörer auf den Tisch, stand auf, ging in die kleine Küche, die es in der Redaktion gab und trank direkt aus der Milchflasche. Im Hintergrund hörte er ein Geräusch, das er nicht genau identifizieren konnte. Es klang wie ein Telefongespräch... oder war es das Geräusch einer Zahnarztbohrers?

Marcelo Merino



Aus: ST-Computer 09 / 1989, Seite 3

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