Spiel ohne Grenzen: Der ST liest MAC-Disketten

Ja, ab 1992 soll der EG-Binnenmarkt Wirklichkeit werden; die Grenzschranken werden fallen. Bereits heute sind allerdings schon die Schranken zwischen zwei Computertypen gefallen. die im Grunde nur zwei Dinge gemeinsam haben, nämlich die Prozessorfamilie und eine bedienungsfreundliche Oberfläche, das Desktop. Die Rede ist vom Apple Macintosh und dem ATARI ST.

Auf letzterem gibt es bereits seit längerer Zeit mehrere MAC-Emulatoren, pardon, “alternative Betriebssysteme". Das Hauptproblem als stolzer Besitzer so einer Emulation ist es geeignete Software für seinen ST MAC zu bekommen; zu kaufen gibt es sie nämlich nur für die Original-MACs. Sogar das Diskettenformat ist zwischen ST und MAC verschieden, und hinzukommt, daß MAC-Laufwerke ihre Schreibgeschwindigkeit verändern, je nachdem, wo sie gerade auf der Diskette schreiben bzw lesen.

In den USA gibt es dafür seit längerem eine kleine Hardware, den Translator, der das für den hier in diesem unserem Lande kaum verbreiteten MagicSac im Schlaf erledigte. (Im wahrsten Sinne des Wortes, denn man kann getrost ein Nickerchen während des Kopierens einer Diskette machen.) Irgendwann im Laufe dieses Sommers soll eine neue Hardware, das sogenannte GCR, für den Spectre 128 kommen, aber warten wir's ab. Auf einer ATARI-Show in Kalifornien im April lief das Gerät einen Tag, dann war man aus technischen Gründen nicht mehr in der Lage weiter vorzuführen.

Neu auf dem Markt ist jetzt der sogenannte EXChanger der Frankfurter Firma Eickmann. Mit ihm ist es möglich, MAC-Disketten für Aladin, das alternative Betriebssystem aus deutschen Landen im holländischen Exil, hin und zurück zu konvertieren. “In ca. 3 Minuten läßt sich eine einseitige (400k)- und in ca. 6 Minuten eine doppelseitige (800k)-Diskette auf Aladin-verständliches Format bringen." So konnte man es zumindest von Eickmann Computer vernehmen.

Ausgepackt

Uns erreichte in der Redaktion ein kleines, blaues Kästchen, daß sich als Steckmodul EXChanger für den ROM-Port entpuppte, und jedermann dachte gleich, so sieht doch auch das Aladin-Steckmodul aus. Richtig, die Firma Eickmann bezieht anscheinend aus der gleichen Quelle, so daß man auch gleich optisch eine Zugehörigkeit zu Aladin feststellen kann. Zu unterscheiden ist der EXChanger von außen nur durch den Aufkleber und ein ca. 80cm langes Floppykabel, daß in eine freie Disk out-Buchse gesteckt werden muß. Dazu gibt es noch eine Diskette gratis, die die erforderliche Software zum EXChangen der Daten enthält. Leider kann man den Datenaustausch nur auf ST-Ebene also nicht unter Aladin vornehmen. Es wäre auch zuviel von Eickmann Computer verlangt, so elementar ein fremdes Programm wie Aladin umzuändern (auf computerdeutsch zu patchen). aber vielleicht nehmen sich die Aladin-Programmierer des Problems an und kreieren eine Exchanged Version.

Anzuschließen ist der EXChanger jedenfalls an jeden beliebigen ATARI ST, egal ob 520er, 1040er oder Mega, somit ist man speicherunabhängig und muß nur gegebenenfalls irgendwelche Zusatzprogramme (ACCs, Auto-Ordner-Programme etc.) entfernen. Es wird nicht zwischen Laufwerk und ST geschaltet, sondern benötigt wirklich nur eine freie Buchse. Man kann also auch mit zwei Laufwerken und dem EXChanger arbeiten, ohne andauernd ein Laufwerkstecker herauszuziehen. Das ist schon eine tolle Lösung.

Frisch ans Werk

Tja, ausgepackt, angeschlossen, schnell ein paar MAC-Disketten bespielt und los geht's. Auf der mitgelieferten Diskette ist nur ein Programm, da fällt die Auswahl nicht schwer.

Nach dem Start hat man ein simples TOS-Menü vor Augen (ein wenig GEM wie eine Menüleiste etc. wäre da nicht schlecht gewesen). Zur Wahl stehen vier Menüpunkte (Bild 1). Natürlich fühlt man sich gleich vom letzten (select /display options) angezogen, denn aus Gewohnheit oder auch Neugier interessieren immer die verborgenen Dinge. Nach Anwahl des Optionenmenüs (Bild 2) erhält man die Möglichkeit. Quell- und Zieldiskette, 400k- oder 800k-Format und den Puffermodus einzustellen. Letztere Einstellung muß man nur ändern, falls man nicht über mindestens 1 MByte Speicher verfügt. In diesem Fall kann man seine Festplatte als Zwischenspeicher nutzen.

Zurück ins Hauptmenü. Die Zwei gedrückt (transfer MAC/ALADIN), eine MAC-Diskette eingelegt und die Übertragung beginnt. Eine ganze Weile ging das auch gut, bis auf einmal eine bei Computerbesitzern gefürchtete Meldung auf dem Bildschirm erschien: READ ERROR. Gott sei Dank fiel mir ein, daß mein MEGA ST schon des öfteren Probleme mit seinem Laufwerk hatte. Also das Ganze noch einmal mit einem 1040er und siehe, es klappt problemlos. Die Erkenntnis war also: Man benötigt zum Übertragen ein absolut korrekt eingestelltes Laufwerk, sonst geht es nicht einwandfrei.

Bild 2: Das Optionsmenü

Null Problemo...

... sagte ich mir und startete meinen ALADIN. Nach dem gewohnten Startablauf, legte ich eine der übertragenen Disketten ein und siehe, Aladin bot mir unverzüglich seine umfangreichen Formatiermöglichkeiten an. Nach einigem Überlegen, Herumprobieren etc. kam ich dann auf die Lösung: das Codewort hieß HFS. Fairerweise muß ich sagen, daß mir das Schicksal aller Tester zuteil wurde, die ohne Handbuch arbeiten müssen, da das Produkt noch zu neu und die Dokumentation noch in Arbeit ist. Wie mir später bei einem Rückruf bei Eickmann Computer versichert wurde, stehen all meine Probleme fein säuberlich im Handbuch aufgelistet.

Doch zurück zum HFS. Da der MAC seit geraumer Zeit schon mit einem hierarchischen Dateisystem arbeitet, hatte ich auch meine Disketten automatisch auf dem MAC unter HFS formatiert. Aladin hingegen arbeitet normalerweise mit einem nicht-hierarchischen System (MFS) und verfügt somit über keine richtigen Ordner. Er kann also HFS nicht so einfach verstehen. Abhilfe schafft hier ein kleines Programm Hard Disk 20 (© by Apple), das in den Systemordner kopiert werden muß, damit es beim Start automatisch mitgebootet wird. Es ermöglicht HFS-Betrieb (Näheres ist in den Technotes zu finden). Einen kleinen Haken hat die Sache allerdings doch noch. Ist HFS installiert, gilt es für alle Laufwerke bis auf das, auf dem das System enthalten ist. Falls man nur eine Aladin-Partition hat, kann man das System aber auch auf der Superdisk installieren, von dort neu starten und verfügt dann über HFS. Erwähnen muß ich noch, daß der MAC 400k-Disketten im Gegensatz, zu den 800k-Disketten MFS-mäßig formatiert, so daß man erstere immer lesen kann.

Mit HFS versehen ließen sich auch meine übertragenen Disketten einwandfrei lesen und weiterverarbeiten. Schon nach kurzer Ladezeit strahlten mich Programme wie PageMaker und Lightspeed C freundlich an. Ganz problemlos war auch der umgekehrte Weg, auf dem Aladin-Disketten auf den MAC übertragen wurden. Der MAC konnte die übertragenen Aladin-Disketten einwandfrei lesen.

Fazit

Wer jemals Programme für Aladin vom MAC mittels Kabel übertragen hat. der weiß, diese neue Möglichkeit hochzuschätzen. In 3 bzw. 6 Minuten lassen sich Disketten übertragen, die sonst via Kabel fast eine Stunde benötigen. Voraussetzung sind allerdings korrekt eingestellte Laufwerke (evtl, beim ATARI Fachhändler nachjustieren lassen). Allerdings ist diese Übertragungslösung auch nicht ganz billig. Mit DM 498,- liegt der Preis des EXChangers schon über dem Preis von Aladin (ohne ROMs) selbst und ist so sicherlich nur etwas Leute mit größerem Geldbeutel oder hohem Datendurchsatz bei der Übertragung.

Bezugsadresse:

Eickmann Computer
In der Römerstadt 249
6000 Frankfurt

Bild 1: Das Hauptmenü

Martina Pfahl
Aus: ST-Computer 07 / 1989, Seite 25

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