TURBO-ST - Software kontra Hardware: Der Softwareblitter

Es gibt zwei Wege, um Programme schneller zu machen. Entweder gleicht man schlechtere Software durch bessere Hardware aus, oder man investiert mehr Gehirnschmalz in die Algorithmen bei zeitkritischen Programmabschnitten. Besondere Aufmerksamkeit verdient dabei das Betriebssystem, denn Nachlässigkeiten in diesem Bereich wirken sich auf alle Anwenderprogramme aus. Gerade das TOS ist ein besonders lohnendes Objekt für Verbesserungen. Seitenlang ziehen sich die Patches durch die diversen Fachzeitschriften - auch im ST-Computer-Magazin sind schon einige erschienen. Die Bit-Blit-Routine, die durch den Blitter um ein Vielfaches beschleunigt wurde, ist der Ansatzpunkt für TURBO-ST, einem Accessory. Ist die Bezeichnung ‘Software-Blitter" gerechtfertigt oder nur ein Werbespruch?

TURBO-ST ist ein Accessory, und es macht deshalb keine Schwierigkeiten das Programm zu installieren. Es wird einfach auf die Boot-Diskette oder die Boot-Partition der Festplatte kopiert und ein Reset ausgelöst. Von nun an weht dem Besitzer ein frischer Desktop-Wind um die Nase, den er in Zukunft nicht mehr missen möchte.

Beschleunigt wird die Textausgabe, das Bildschirmlöschen, das Scrollen und der Fensteraufbau (inklusive Alert-Boxen und Drop-Down Menüs) von allen Programmen, die Betriebssystemroutinen verwenden. Dabei ist zu beachten, daß nur die Ausgabe des Systemzeichensatzes beschleunigt wird. GDOS mit seinen Zeichensätzen wird also nicht unterstützt und TURBO-ST verträgt sich auch nicht mit GDOS. Der Rechner stürzt nicht ab, nur der Bildschirmaufbau hat sich ‘leicht' verändert. Da man aber TURBO-ST ausschalten kann, läßt sich auch das beheben. Natürlich profitieren Programme, die GEM und TOS auf irgendwelchen Schleichwegen umgehen, nicht von TURBO-ST, desgleichen solche, die viel mit mathematischen Berechnungen beschäftigt sind, und wenig Textausgabe haben. Aber diese Einschränkungen treffen - bis auf GDOS auch für den Hardware-Blitter zu.

Am stärksten wird die Textausgabe in reinen TOS-Programmen - also ohne Fenster - beschleunigt. Steigerungen beim seitenweisen Blättern mit über 600% und beim zeilenweisen Scrollen mit bis zu 285% werden versprochen. Diese Fabelzeiten werden im Alltagsbetrieb natürlich nicht erreicht, sind sie doch unter Idealbedingungen ermittelt worden. Das schmälert den Wert des Programmes aber in keiner Weise, hat doch TURBO-ST im direkten Vergleich mit dem Blitter oftmals deutlich die Nase vorn. Unter GEM ist es ihm zumindest ebenbürtig, unter TOS häufig sogar überlegen. Doch auch für Blitter-Besitzer ist TURBO-ST interessant, denn durch die Optimierung werden die Bildschirmausgaben noch einmal spürbar schneller.

Bedienung

Wie schon gesagt, ist die Installation von Turbo-ST kinderleicht. Nach dem Hochfahren des Systems ist es bereits in das Betriebssystem eingebunden. Da TURBO-ST die entsprechenden Trap-Vektoren auf die eigenen Routinen verbiegt, sind Komplikationen mit anderen Programmen, die dasselbe für ihre Zwecke machen, nie ganz auszuschließen. Deshalb hat man die Möglichkeit, TURBO-ST jederzeit über das Bedienmenü auszuschalten, sofern das Anwenderprogramm Accessories zuläßt. Dabei sind die Programmierer mit besonderer Umsicht vorgegangen. Bevor TURBO-ST sich entfernt, prüft es nach, ob sich inzwischen nicht ein anderes Programm über die Trap-Vektoren im System eingenistet hat. Eine gefahrlose Entfernung ist dann nämlich nicht mehr möglich, da Turbo-ST die Vektoren so restauriert, wie es sie zum Zeitpunkt seiner Installation vorgefunden hat.

Der Benutzer hat in so einem Fall zwei Möglichkeiten. Turbo-ST zu deaktivieren: logisch oder physikalisch. Physikalisch bedeutet, daß sich TURBO-ST vollständig aus dem System entfernt und die alten Trap-Vektoren wiederherstellt. In den meisten Fällen wird dieses Vorgehen aber zu einem Systemabsturz führen, da ja das andere Programm seinerseits die Vektoren verbogen hat und Turbo-ST ihm somit den Boden unter den Füßen wegzieht. Aus diesem Grund gibt es noch die Möglichkeit. TURBO-ST logisch zu entfernen. Hierzu wird ein Flag gesetzt welches TURBO-ST signalisiert, daß es nicht mehr installiert ist. Ein Beispiel: Sie starten Laser-C und installieren dann Turbo-ST. Laser-C verbiegt nun beim Start einen Trap-Vektor, den es beim Programmende wieder restauriert. Dadurch. daß Laser-C nun die alten Vektoren wiederherstellt, wird TURBO-ST ebenfalls aus dem System entfernt - aber ohne daß TURBO-ST selbst dies zunächst merkt. In diesem Fall deaktiviert man TURBO-ST zunächst logisch und kann es nun - ohne neu booten zu müssen -jederzeit wieder neu installieren.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Im allgemeinen ist TURBO-ST völlig problemlos und verrichtet klaglos seinen Dienst. Besser als so mancher Blitter. dem mit Goodblit auf die Sprünge geholfen werden muß.

Fazit

Selten war ich von einem Programm so überzeugt, wie von TURBO-ST. Es ist eines der wenigen Utilities, die man unter dem Rubrik - "Installiere und vergiß!’ -einordnen kann. Man merkt ihm an, daß sich der Programmierer viel Mühe mit ihm gegeben hat. Obwohl die Bedienung überaus einfach ist, hat es sich das amerikanische Software-Haus, Soft-Trek, nicht nehmen lassen, eine gute und informative Bedienungsanleitung zu erstellen. Über eine Hotline kann man Wünsche und Probleme loswerden, die dann in zukünftige Up-Dates einfließen.

Ich denke, die Qualität der Software und der faire Preis (DM 79,00) macht einem die Entscheidung zugunsten von TURBO-ST leicht.

In letzter Minute

Kurz nach Redaktionsschluß ist die neue, deutsche TURBO-ST-Version 1.4 eingetroffen. Deshalb an dieser Stelle ein kurzer Nachtrag. Die Geschwindigkeiten, die mit TURBO-ST erreicht werden, sind laut Herstellerangaben noch einmal gesteigert worden. Vollkommen weggefallen - da nicht mehr notwendig - ist die Möglichkeit des logischen und physikalischen Löschens; TURBO-ST ist jetzt unabhängig von anderen Programmen jederzeit abschaltbar.

C. D. Ziegler

Bezugsadresse:

BELA Computer GmbH Unterortstr. 23-25 6236 Eschborn

Um die Leistungsfähigkeit von TURBO-ST zu demonstrieren, habe ich einen ca. 40 kByte großen Text zeilenweise mit 1st Word durchgescrollt.

ATARI-ST pur: 2 min 05 sec
ATARI-ST mit Blitter: 1 min 15 sec
ATARI-ST mit Turbo-ST: 1 min 30 sec
ATARI-ST mit Blitter und Turbo-ST: 1 min 03 sec
ATARI-ST mit PAK-68: 1 min 40 sec
ATARI-ST mit PAK-68 und Blitter: 1 min 10 sec
ATARI-ST mit PAK-68, mit Blitter und Turbo-ST: 57 sec
ATARI-ST mit PAK-68 mit Turbo-ST- 1 min 15 sec

In diesem Fall ist TURBO-ST dem Blitter fast gleichwertig. Wenn man alle Möglichkeiten nutzt, den ST zu beschleunigen so stellt man bei 1st Word fest, daß es mehr als doppelt so schnell geworden ist - beim Scrolling. Allerdings ist der Aufwand an Hardware beträchtlich (68020 und Blitter). Mit ein bißchen optimierter Software erreicht man beinahe dasselbe, zu einem Bruchteil der Kosten.

Mit der PAK-68 klappt das Zusammenspiel mit TURBO-ST nicht so reibungslos. GEM-Programme laufen problemlos (1st Word, GFA....), nur bei TOS-Applikationen mag TURBO-ST nicht so recht. In der Version 1.4 stürzt der Rechner aber wenigstens nicht mehr ab. Allerdings muß ich es abschalten, wenn ich mein Accessory zum Harddisk-Parken benutze. Aber damit kann man leben.

Ein Wort noch zu diesen Zeitangaben: Sie haben auf einem anderen Rechner so ohne weiteres keine Gültigkeit. Jedes fehlende oder zusätzliche Accessory verändert die Scroll-Geschwindigkeit. Ich habe deshalb alle Tests hintereinander am Stück gemacht, um sicherzustellen, daß die Rechnerkonfiguration auch wirklich unverändert geblieben ist.



Aus: ST-Computer 02 / 1989, Seite 21

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