Marvin Scanner: Der freundliche Partner aus der Schweiz

Desktop Publishing Programme für den ST werden immer mehr und besser, so daß in naher Zukunft jeder Autor sein eigener Verleger sein kann. Die Gestaltung einer Seite besteht aber in der Regel nicht nur aus Wörtern, sondern auch aus Bildern, sowie anderen grafischen Elementen. Besitzt man nicht die malerische Fähigkeit eines Leonardo da Vincis oder Picassos, so hilft hier das allerbeste Malprogramm überhaupt nichts und unsere Seitengestaltung wird bilderlos.

Die andere Möglichkeit Bilder in einen Text einzubinden, ist durch sogenannte ’photoelektronische’ Geräte möglich, die in der Lage sind, eine Vorlage abzutasten und auf einen Computer zu übertragen. Ein Video Digitizer, wie in unserem Projekt im letzten Heft ist eine gute Möglichkeit Bilder in den Rechner einzulesen und in einen Text einzubinden; eine andere ist ein Scanner. Für den ATAR! ST werden schon mehrere solcher Geräte angeboten. Wir haben den Scanner der Firma Marvin getestet und waren von dessen Leistungsmerkmalen freundlich überrascht.

Ein neues Gerät zu testen ist immer eine Mischung aus fast kindlicher Neugier und reservierter Zurückhaltung. Es ist aber in jedem Fall ein Ausflug ins Neuland, in dem alles passieren kann. Meist endet die Geschichte mit einem totalen Frust, weil das Gerät nicht so funktioniert hat (wenn es so weit kommt), wie der Hersteller angekündigt hat.

Neu war auch die Tatsache, daß das Gerät, welches wir diesmal testen, aus einem Land kommt, daß bekannt ist für die Produktion von Spitzenuhren, sowie Käse, aber nicht für die Herstellung von Peripheriegeräten für die ATARI ST Serie.

Das Konzept

Das Konzept, das hinter dem Scanner steht, ist, wie man es nimmt, sehr einfach. Man nimmt ein Fotokopiergerät, steckt ein wenig Elektronik hinein, ein Ausgang wird noch eingebaut (damit der Kopierer mit dem Rechner kommunizieren kann) und plötzlich verwandelt sich mein Kopierer in einen Scanner. Natürlich ist das alles nicht jedermanns Sache. Deswegen liefert die Marvin AG das Gerät fertig eingebaut, so daß der Anwender nichts anderes zu tun braucht, als den Stecker einzustecken, die Software zu starten und Bilder einzulesen.

Das Gerät ist auf der Basis eines Tischkopierers mit eingebautem Thermodrucker auf gebaut, so daß die Steuerelektronik, die für die Funktion des Druckers verantwortlich ist, umgeleitet und durch zusätzliche Elektronik die gesamte Bildinformation im Rechner eingespeist wird. Dadurch ist der größte Teil der Arbeit geleistet, der Rest wird von der mitgelieferten Software gelöst. Der eingebaute CCD Sensor besitzt 2048 Zellen, womit der Scannvorgang erheblich beschleunigt wird. Im Moment ist eine maximale Auflösung von 200 Dpi zu erreichen. Die Abtastfläche beträgt 210x297 mm, so daß eine gesamte DIN A4 Seite abgelesen werden kann. Das Lesen von einem DIN A4 Blatt dauert nur zehn Sekunden. Für ein Blatt in diesem Format und mit einer Auflösung von 200 Dpi, werden allerdings glatte 500 KB gebraucht. Insofern ist dieses Gerät nur in Verbindung mit dem ST Rechner, der zumindest mit 1 MByte oder mehr ausgerüstet ist, zu betreiben.

Das andere Ende

Wie schon oben erwähnt wurde, leistet die Hardware nur die halbe Arbeit, den anderen Teil bewältigt die Software. Mit dem Gerät wird ein Softwarepaket geliefert, daß das Lesen bzw. Verarbeiten von Bildern sehr erleichtert.

Das Hauptprogramm bildet die Schnittstelle zwischen Anwender und Scanner und ermöglicht das Einlesen von Bildern im Rechner, sowie seine spätere Manipulation. Aus dem Hauptprogramm lassen sich die im Rechner gespeicherten Vorlagen auf Diskette übertragen, auf den Thermodrucker abdrucken, verkleinern und vergrößern (Zoomen), usw.

Das in dem Rechner eingelesene Bild wird in zwei getrennten Fenstern dargestellt. In einem kann man das gesamte Bild, das zuletzt 'gescannt’ wurde, als Vollbild sehen, in dem anderen wird nur ein Teil, der sich beliebig in jeder Richtung verschieben läßt, davon dargestellt. Ein drittes Fenster wird bei der Zoom-Funktion gebraucht.

Ein kleines Malprogramm ganz groß

Als besonderer Leckerbissen wird ein kleines Malprogramm mitgeliefert, das von dem Hauptprogramm aufgerufen werden kann. Mit Hilfe dieses Programmes erweitern sich die Möglichkeiten ein Bild beliebig zu modifizieren. Eine Fülle an Funktionen stehen dem Anwender zur Verfügung: Bilder können verzerrt, gedreht, gespiegelt, invertiert, verkleinert und vergrößert werden. Durch eine ’Lasso’-Funktion kann man bestimmte Abschnitte eines Bildes ausschneiden und in anderen Bildteilen plazieren. Genauso lassen sich Blöcke definieren und als solche auf Diskette speichern.

Trotz aller Features, die dieses Programm anbietet, wurde die Möglichkeit freigehalten, Ausschnitte eines Bildes in die gängigen Formate (Degas, Neochrome) abzuspeichern und mit anderen Malprogrammen weiterzuverarbeiten. Für das Abdrucken eines Bildes werden mehrere Druckertreiber geliefert. Um mit der zeitgenössischen Denkweise mithalten zu können, wurde auch ein Laserdruckertreiber implementiert. Wir haben den Laserdruckertreiber anhand des neuen Laserdruckers von ATARI untersucht und waren sehr überrascht von der mageren Qualität des Abdruckes. Laut Hersteller liegt es aber an dem Hardcopytreiber, der von ATARI mitgeliefert wird. Der Scanner selbst besitzt einen Thermodrucker, mit dem sehr qualitative Abdrucke produziert werden können.

Fazit

Meiner Meinung nach ist dieser Scanner ein Gerät, das eine wichtige Ergänzung zu verschiedenen Programmen, die mit grafischer Gestaltung zu tun haben, bildet. Desktop Publishing Programme werden mit Sicherheit im höchsten Maße davon profitieren. Aber sogar allgemeine Textverarbeitungsprogramme, die die Einbindung von Grafik zulassen, können dieses Gerät gut nutzen.

Wie schon oben besprochen, beanspruchen die Bilder, bedingt durch die Auflösung, große Mengen an Speicherplatz, so daß nur für die ST Serie mit mindestens einem oder mehr Megabyte zu gebrauchen ist. Das stellt einerseits mit Sicherheit eine Einschränkung dar, andererseits deutet der Trend dieses Rechners in die professionelle Anwendung.

Mit Sicherheit ist ein Gerät, das etwa DM 3000 kostet, nicht für jedermann erschwinglich, aber für einen Anwender, der im professionellen Bereich des Desktop Publishing etwas anfangen möchte, ist dieser Scanner ein unerläßlicher Bestandteil seiner Ausrüstung. (MG)

Print & Technik
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8000 München 40



Aus: ST-Computer 12 / 1987, Seite 34

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