3D Welten

Was hat es mit der Dritten-Dimension auf sich? Wann und wie entstanden perspektivische Bilder und warum sehen wir die Dinge plastisch?

Was ist die dritte Dimension überhaupt ? In unserer Medienwelt haben wir uns vollkommen an die einfache zweidimensionale Darstellung gewöhnt. Fotos in Zeitschriften, das Fernsehprogramm und auch der Computer sind überwiegend zweidimensionale Medien. Doch unser Gehirn ist eigentlich auf die dritte Dimension angewiesen. Da unsere beiden Augen nach vorn in die selbe Richtung gerichtet sind, bekommt das Gehirn zwei unterschiedliche Bilder aus ca. 6,5 cm Entfernung. Aus diesen zwei Bildern nimmt das Gehirn die Information für die Tiefe, also der Entfernung eines Gegenstandes zum Betrachter. Tiere die ihre Augen z.B. an den Seiten haben, erhalten nur einen zweidimensionalen Eindruck ihrer Umgebung, aber dafür haben sie meist ein größeres Sichtfeld, welches bei manchen Arten sogar 360 Grad betragen kann. Bei Raubtieren dagegen, die die Entfernung zu ihrer Beute genau bestimmen müssen, sind beide Augen nach vorn gerichtet. Zurück zur Medienwelt. Es hat schon viele Versuche gegeben auch die dritte Dimension in den Medien zu nutzen. Man denke da an Diverse TV-Sendungen, welche man mit einer sogenannten 3D-Brille verfolgen konnte. Oder die Comic's mit den Rot- Grün Bildern. Nicht zuletzt an die Zeit, in der alle verrückt nach den Stereogrammen waren. Das alles waren Versuche, Bilder in der 3. Dimension darzustellen. Keine dieser Darstellungen hat lange überlebt und ist meist nach kurzer Euphorie wieder in der Versenkung verschwunden.

Doch wie funktioniert räumliches Sehen überhaupt?

Das läßt sich relativ leicht demonstrieren, wenn man über den Daumen des ausgestreckten Arms hinweg zu einem entfernten Gegenstand blickt und die Augen abwechselnd schließt und öffnet : Der Daumen scheint vor dem Gegenstand hin und her zu springen.

Warum springt der Daumen?
Beide Gesichtsfelder überlappen sich, und daher wird das Gehirn zweimal, aus leicht versetzten Winkeln, mit Daten über den gleichen Bildausschnitt versorgt. Aus dieser Information kann das Gehirn spielend einen dreidimensionalen Eindruck gewinnen. In unserem Selbstexperiment registriert unser Gehirn, der Daumen ist sehr nah und der Gegenstand ist weit weg.

Das Wahrnehmen der Raumtiefe stützt sich aber nicht nur auf die zwei unterschiedlichen Bilder, die wir von den Augen bekommen. Nein, ein anderer Faktor wird schon vom Gehirn gesteuert: Das Gehirn weiß z.B., daß der Daumen relativ nah ist und verdickt die Linse im Auge, sie verkürzt die Brennweite, so daß das Bild auf der Netzhaut scharf wird. Dieses Prinzip kennt man auch von der Filmkamera oder dem Fotoapparat. Wichtig für unser räumliches Sehen sind auch Erfahrungen, die wir schon von klein auf sammeln. Durch diese Erfahrungen können wir auch schon mit nur einem Auge räumliche Bilder in unserem Gehirn entstehen lassen. Zum Beispiel, wenn ein Objekt teilweise durch ein anderes überlagert wird, wird es als dahinterliegend wahrgenommen. Das Gehirn merkt sich viele Dinge und entscheidet dann selbst: Dieser Gegenstand ist weiter weg und dieser näher. Ein weiterer Effekt ist die Linearperspektive: Parallele Linien und Strukturen, die vom Beobachter wegführen, scheinen im Fluchtpunkt (am Horizont) zu verschmelzen. Man denke an das Bild, wie Eisenbahnschienen in der Ferne zu einem Punkt konvergieren. In der Tat macht unsere Erfahrung den größten Teil unseres räumlichen Sehens aus. Diesem Umstand verdanken wir es auch, daß uns oft unser Auge trügt und wir etwas anderes sehen, als wirklich vor uns ist. Die Strichzeichnung werden die meisten Leser klar als räumlichen Würfel interpretieren. Dabei ist es nur ein Muster aus Linien. Aber unser Gehirn Interpretiert aus dem Linienmuster auf dem zweidimensionalen Papier der Zeitschrift einen dreidimensionalen Würfel, da die Form aus der Erfahrung her einem Würfel am meisten gleicht. Wenn man das Gehirn austrickst, und bei der Ermittlung der Entfernung fehlzuschlagen anregt, kommt man schnell dahinter, daß unser Wahrnehmungssystem ohne unser Wissen Annahmen macht und logische Schlüsse daraus zieht. Doch manchmal irrt es sich aber, und die Überraschung ist groß. Wer hat nicht schon einmal gedacht, daß der Mond, wenn er hinter den Dächern der Stadt am Horizont aufgeht, oft um Dimensionen größer ist, als wenn er im Zenit steht. Auf der Netzhaut erscheint er auch in seiner waren Größe, aber unsere Sinne trügen uns. Ein Beweis ist schnell erbracht, wenn man den Riesenmond mal fotografiert und sich dann das Foto betrachtet: Wird man enttäuscht feststellen, wie klein doch der Mond in Wirklichkeit war.

Die Tatsache, daß ein Objekt, das von einem anderem überlappt wird, als weiter weg liegend interpretiert wird, machen sich auch Künstler zu Nutzen, die so die visuellen Signale nutzen um dem Betrachter einen räumlichen Eindruck zu vermitteln. Seit sich die Menschen mit Malerei beschäftigten, besteht der Wunsch, Bilder so real wie möglich erscheinen zu lassen (mal abgesehen von der Avantgarde).

Die Fähigkeit, realistische Bilder malen zu können, entwickelte sich sehr spät und sehr langsam. Bis zum Mittelalter hatten sich die Formen und Farben schon weit entwickelt, aber den Bildern fehlte die Tiefe und dreidimensionale Perspektive. Später, in der Renaissance, fing man an, das Konzept der Perspektive zu verstehen. Mit Künstlern, die wie Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer, Mathematik und Kunst in Einklang zu bringen versuchten, zog auch die räumliche Tiefe in die Kunst ein. Wer von uns hat diese Geschichte nicht durchgemacht?

Als kleines Kind malt man die Häuser als Viereck mit einem Spitzen Dreieck obendrauf als Dach. Die Menschen sind alle fast so groß wie die Häuser, neben dem sie stehen. Später lernen wir Details hinzuzufügen und Proportionen und Perspektive einzuhalten. Aber an komplexe Lichtbrechung und Schattierungen wagen sich die wenigsten Künstler heran. Doch wie gelingt es nun, einen dreidimensionalen Raum oder Gegenstand auf einem zweidimensionalen Medium abzubilden? Wie schon oben erwähnt, gibt es die unterschiedlichsten Wege, dem Betrachter die räumliche Illusion der Darstellung vorzutäuschen. Die Tatsache, daß unser Gehirn auch aus Erfahrung entscheidet, welches Element näher bzw. weiter von uns weg ist, läßt sich schon an den beiden geometrischen Figuren sehen, die wir schon als Linienmuster deklariert haben. Eine andere Möglichkeit wäre, für jedes Auge ein separates Bild zu erzeugen und jedem Auge nur das Bild zu zeigen, welches für dieses bestimmt ist. Bild 4 zeigt zwei flache Bilder, die ein Objekt aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln darstellen.

Läßt man nun jedes Auge nur das seinem Blickwinkel zugeordnete Bild sehen, indem man in die Mitte eine Pappe stellt, erkennt man einen dreidimensionalen Würfel. Dieses Prinzip nutzen auch die Stereo-Dias, die in einen speziellen Betrachter gesteckt werden und für jedes Auge ein separates Bild liefern. Ganz ohne Sehhilfe kommt eine 3D-Methode aus, die vielen unter dem Begriff "Magic Eye" bekannt wurde. Die Stereogramme bestehen oberflächlich gesehen aus kleinen Bildern oder Mustern, denen man noch nicht ansieht, was sich hinter ihnen verbirgt. Nach einen bestimmten Abstand wiederholen sich die Muster aber um eine Winzigkeit verändert, damit unterschiedliche Tiefen im Bild erscheinen. Schaut man ganz normal auf das Bild, erkennt man nichts Besonderes. Um den Effekt zu erleben, läßt man aber seinen Blick in die Ferne, durch das Bild hindurch schauen. Die Augen schauen jetzt auf zwei verschiedene Punkte des Bildes, die zu einem gemeinsamen Punkt, der hinter dem Papier liegt, verschmelzen. Aus diesen virtuellen Punkten setzt sich ein neues Bild zusammen, bei dem die einzelnen Teile in verschiedenen Tiefen liegen können. Es bedarf schon ein wenig Übung seine Augen so einzustellen, daß man in den Genuß der Spielerei kommt. Noch eine weitere Methode dreidimensionales Sehen auf zweidimensionalen Medien zu ermöglichen, ist z.B. zwei Bilder mit unterschiedlichem Blickwinkeln Rot und Grün einzufärben und dann übereinander zu legen. Mit der Rot-GrünBrille ist es dann möglich, das Bild räumlich zu sehen. Vermutlich werden in ferner Zukunft noch andere Arten, das räumliche Sehen auf zweidimensionalen Medien auszugeben, auf uns zukommen.

»Die Virtual-Reality Zeit wird kommen, in der der Datenhelm auf dem Datenhighway Pflicht wird.«


Steffen Heinicke
Aus: Atari Inside 03 / 1996, Seite 49

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